Folgt man dem gewundenen Lauf der Ahr von Ahrweiler aus nach Osten, kommt man hinter Mayschoß in das schöne Winzerdorf Dernau. Ein guter Ort, um an diesem sonnigen Oktobersamstag der ebenso schönen wie seit Schülertagen vernachlässigten Tätigkeit des Wanderns nachzugehen. Also, Fahren zu Fuß. Quasi laufendes Reisen. Und den Motorradfahrern, die das unerwartet angenehme Wetter für eine Saisonausklangsspritztour nutzen, höchstens den einen oder anderen sehnsüchtigen Blick hinterherwerfend.
Schachbrettartig ziehen sich die Parzellen der Winzer über die Hänge. Durch die Weinberge führt der Rotweinwanderweg rund 35 Kilometer weit von Altenahr bis Bad Bodendorf. Die Gegend bei Mayschoß und Dernau gilt als eines der hübschesten Fleckchen der Route. Mitten durch die Landschaft ziehen sich die Reste des Strategischen Bahndamms, einer nie fertiggebauten Eisenbahnstrecke, an die unter anderem der Silberbergtunnel und die Pfeilerstümpfe eines Viadukts über das Adenbachtal erinnern.
Jetzt, kurz vor der Ernte, sind die Trauben prall und süß – und überall vom Weg aus mit der Hand zu greifen. In der Luft liegt der schwere Duft von Trester, der gelegentlich als Häufchen am Wegesrand an die Vor-Ort-Verarbeitung der abgeernteten Trauben erinnert.
Der Weg wartet mit der einen oder anderen Steigung auf. Auf der Plusseite bietet er hinter jeder Biegung einen neuen spektakulären Ausblick ins Ahrtal. Und ist angenehmerweise weitgehend asphaltiert – statt grobstolliger Wanderstiefel genügen also ein paar bequeme Laufschuhe. Dementsprechend ist auch noch gut was los auf dieser ziemlich beliebten Ausflugsstrecke, wo der Weg tatsächlich das Ziel ist: An jeder Gabelung stehen verpustende oder wegsuchende Wandersleut, wahlweise auf Faltkarte oder Smartphone-Display starrend und schließlich doch die entgegenommenden Kollegen fragend: Geht’s da weiter auf dem Rotweinwanderweg?
Zum Glück wartet in schöner Regelmäßig alle paar Kilometer eine kleine Straußwirtschaft, der private Ausschank eines Winzers. Laut Gesetz brauchen die Weinbauern keine Schanklizenz, um an höchstens vier Monaten im Jahr eine eigene Gastronomie zu betreiben. Bier darf’s dafür nicht geben, einfache Speisen schon, dazu muss mindestens ein alkoholfreies Getränk auf der Karte stehen. Mancher Winzer stellt einfach einen Tisch an den Weg, dazu eine Waschgelegenheit für Gläser, dazu Sonnenschirm und eine Preistafel – fertig ist die Unterwegserfrischung. Bleibt dem Laufmenschen nur die Entscheidung zwischen weiß oder rot, Wein oder Sauser?
Einen Federroten bitteschön. Wandern macht wahrlich durstig. Cheers – äh, Prosit!
Und schon geht’s beschwingt weiter. Erinnern sie nicht ein bisschen an einen Soldatenfriedhof, die kleinen Rebstocksetzlinge mit ihren Stützhüllen, wie sie so brav in Reih und Glied den Hang hinaufwachsen?
Ein Stück hinter Dernau liegt in einer Falte des Tals das ehemalige Augustinerinnenkloster Marienthal, heute ein von den lokalen Winzern betriebenes Ausflugslokal. Die Ruine der Kirche des Klosters, das auf das Jahr 1137 zurückgeht, bietet einen malerischen Rahmen für das lautstarke Treiben da unten. Da hat sich der eine oder andere den Anmarsch etwas verkürzt und ist stilloserweise statt zwei Füßen auf vier Rädern angereist.
Doch für die beiden ungeübten Wanderer oben auf dem Weg heißt es brav weitermarschieren. Sie wollen nämlich noch eine Ortschaft weiter, nach Ahrweiler. Der ehemalige Regierungsbunker, einst das teuerste Bauwerk der Bundesrepublik, heute eine Dokumentationsstätte, ist leider schon geschlossen.
So nehmen die müden Füße die letzten Kilometer in Angriff, während die allmählich untergehende Sonne das Gelb, Grün oder Rot der Weinblätter noch einmal richtig aufflammen lässt. Der Weg führt hinunter ins Tal, an der Römervilla vorbei und schließlich durch die alte Stadtmauer ins fachwerkerne Herz von Ahrweiler.
Unten angekommen, am Marktplatz im Schatten der Laurentiuskirche, lässt’s sich nett erholen. Natürlich bei einem Gläschen Federweißen und einem Stück Zwiebelkuchen. Ersteres frisch abgefüllt, das zweite frisch gebacken. Schon erstaunlich, wie weit man ohne Rad und Motor in ein paar Stunden kommen kann.
Dann geht es zurück nach Dernau. Mit der Regionalbahn. Man muss das mit dem Reisen zu Fuß ja auch nicht übertreiben.
Hi Marc,
Beim nächsten Mal unbedingt auch hier vorbeischauen, am besten mit Übernachtung: http://www.foersterhof.de
Dort hat man sich von Hundertwasser, Gaudi und antroposophischen Farben inspirieren lassen, außen und innen, auch in den Zimmern. Es macht einfach Laune, sowas mal zu erleben. Wein und das Essen sind auch lecker.
Wir haben eine Übernachtung dort mal zum Geburtstag verschenkt – alle Schenkenden waren natürlich dabei 🙂 Wir waren alle begeistert.
Viele Grüße !