Rapseed Power

Dieseling to Work
Dieseling to Work

Die Nadel stand irgendwas bei 150, heute Morgen auf der linken Spur auf der A4 zwischen Buir und Düren. 150 Dieselbenz-Stundenkilometer, das sind in Navisprache gerade mal knapp 140. Entsprechend zügig kam der Dreier-BWM von hinten herangerauscht. So wie das Dreier das nun einmal zu tun pflegen. Erst anderthalb Wagenlängen hinter der Chromkappe meiner Anhängerkupplung war er dann runter auf 150 Dieselbenz. Mehrere vorwurfsvoll-ungeduldige Sekunden lang.

Dann hatte es ihn. Gequietscht haben seine Bremsen zwar nicht, aber der Abstand zur Chromkappe vergrößerte noch rasanter, als er zuvor geschrumpft war. Auf etwa hundert Meter. Wie friedlich so ein Sportcoupé aus dieser Entfernung aussieht.

Mehr noch: Die bajuwarische Sportskanone wechselte gar noch kurz auf die LoserLasterspur und ließ einem Skoda (!) den Vortritt. Hängte sich hernach in respektvollem Abstand dahinter und uns folgte brav und bescheiden.

Selten so schön erlebt, welchen Unterschied 30 Liter Rapsöl im Tank ausmachen.

Saisonstart

In einer äußerst undankbaren und ungewohnten Rolle hat sich der Moorfarbige im Dezember und Januar wiedergefunden: der Rolle der Winterschlampe. Als die C-Klasse über die Feiertage ein Update bekam in Form von Anhängerkupplung, Rostmaske und Kurbelwellensimmerring bekam. Dürfte schon stolze 17, 18 Jahre her gewesen sein, dass sich das Dieselcoupé zuletzt über verschneite Straßen quälen musste. Aber was hilft’s, ein Auto ist zum Fahren da, und ein 123er erst recht. Ist ja alles frisch geschweißt am Unterboden…Kaum waren die Rollen gewechselt, war Stress angesagt: Umzug nach Köln, Konfigurieren eines neuen Alltags mit zwei Stunden Pendeln täglich, unterbrochen nur vom Segelfluglager in Südfrankreich und diversen verlängerten Wochenenden in Berlin und Amsterdam. Für den Benz des Herzens blieb da keine Zeit, selbst das Motorrad vor der Haustür blieb die meiste Zeit unter seiner Plane eingehaubt. Und zugegeben: Ein gar so schlechtes Gefährt war der W202 nun doch nicht. Wer Tag für Tag auf den dessen Plakettenkühlerstern guckt, leidet zumindest nicht an seelenbedrohender Benz-Unterzuckerung.Doch irgendwann ist jedes Interim einmal zu Ende. Am Montagabend, kurz vor dem monatlichen VdH-Stammtisch, kam für das Dieselcoupé der Dornröschenkuss. „Hoffentlich springt er überhaupt noch an“, sorgte sich der freundliche Scheunenbesitzer, als ich in der über und über mit Staub und Dreck bedeckten Karosse Platz nahm. Natürlich sprang er an, aufs erste Schlüsselwinken schon. Wie immer.

Eine echte H-Waschanlage
Eine Waschanlage mit H-Kennzeichen

Rost an den Kanten, abblätternde Farbe, sich lösende Aufkleber, notdürftig flickendes Klebeband. Nein, nicht der Wagen. Muss man sich Sorgen machen, wenn die Autowaschanlage älter ist als das Auto? Nein? Auch nicht bei Wagen mit H-Kennzeichen?

Kann irgendetwas so schön strahlen wie Lack in Nr. 479?

Aaah, schon viel besser. So muss Autolack glänzen. Auch genau in dieser Farbe.

Und so nagelt das schokoladigste Dieselcoupé nördlich der Alpen in seine 31. Saison. Bisschen spät, so Anfang August, aber besser als gar nicht.

Und ich hatte fast schon vergessen, wie ein Auto klingen muss.

Der Tag.

War ja ein ganz schöner Krampf, das mit dem H-Kennzeichen. Vierzylinder-Dieselmotor im 123er-Coupé, man hätte meinen können, ich hätte ein satanistisch-alternatives Höllenmobil erfunden, damals, bei der Umdieselung 1995. Unerhört, ungebührlich und vor allem unhistorisch.

Doch es gibt noch Richter in Berlin Prüfer im Kreis Minden-Lübbecke. Wär kein Problem, da historisch, und § 23 StVO würde eh gerade neu formuliert. Also machten wir uns am Samstag auf die 300 Kilometer lange Tour ins Niemandsland nördlich von Bielefeld. Das moorbraunste Dieselcoupé westlich des Ural, die Bezauberfrau und ich. Vorsicht bei der Blitze hinterm Ortseingangsschild.

AU bei ATU
AU bei ATU

Teil 1: Das Gebrüll. AU bei ATU. Dass ich sowas noch erlebe. Waren aber sehr freundlich, die Mitarbeiter.

Schon sooo viel geschweißt und immer noch Rost...
Schon sooo viel geschweißt und immer noch Rost…

Teil 2. HU. Was hatte Siggi nicht alles geschweißt vor Ornbau. Längsträger, Schwellerspitzen, Wagenboden, Kofferraumwanne. Und kaum leuchtet so eine unbarmherzige Taschenlampe unter den Lampentopf… aber der ist ja gozeidank kein tragendes Teil.

Lichtbildnerische Dokumentation
Lichtbildnerische Dokumentation

Teil 3. Der historische Moment. Und seine Dokumentation für den TÜV-Server.

Macht 122 Euro, bitteschön. Karte zieht durch. Nicht mal so teuer wie befürchtet. Den Spaß war die Reise ins Wiehengebirge absolut wert, zumal man noch bei Freund Christof und Holger Herden vorbeischauen konnte und der Bezauberfrau beweisen durfte, dass es Bielefeld doch gibt. Und zuletzt bei Siggi die frisch bebremste C-Klasse abholen konnte. Wahrlich, wir hatten schon schlechtere Tage, der Braune und ich.

Einen Riesendank an Nils, der das Ganze vermittelt hat.

Schottland, die dritte

Im August 2009 kommt der Moorbraune zum dritten Mal in das Land, für dessen Besuch ich ihn einst, 1993, gekauft hatte: nach Schottland. Kreuz und quer durch die Highlands waren wir damals gefahren, während des Studienjahres in Glasgow und bei einer zweiten Reise im September 1995. Kreuz und quer – nur in eine Ecke nicht. Das wollte ich jetzt, 2009, nachholen: Es ging in den äußersten Nordwesten der britischen Insel – bis zum Cape Wrath.

Aachen, Dienstag, 18. August 2009. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Vorne sind neue Stoßdämpfer von Wolfi eingebaut, im Fünfganggetriebe gluckert frisches Öl, die Ventile sind eingestellt, der Auspuff ist neu ausgerichtet, der Endtopf gewechselt, ein neues Radio eingebaut, eine blinkende neue Kühlermaske ist montiert, der Tacho auf den relativ korrekten Stand von 324.085 km eingestellt und der Lack hat eine Nano-Politur feinster Güte bekommen.

Schottland. Wir waren schon zweimal da, der Benz und ich. Einmal von September 1993 bis Juli 1994 für das Studienjahr in Glasgow – den Wagen hatte ich damals gerade erst gekauft. Dann, mit einem Jahr Abstand, noch einmal für einen Kurztrip im September 1995, mit dem frisch eingebautem (ersten) Dieselmotor.

Es war ein anderes Leben damals: Ich als Student der Rechtswissenschaften mit wachsender Unsicherheit in Bezug auf die Studienfachwahl. Der Benz als spürbar aus der Zeit fallendes, überteures Prestigemobil, überall wachsende Irritation in Bezug auf die Lackfarbe erzeugend.

Beim zweiten Besuch, 1995, war das Coupé mit é 14 Jahre alt. Jetzt, 2009, ist es 28 – also genau doppelt so alt wie damals. Seinerzeit hatte ich keinerlei Bedenken, mit ihm die Highlands unsicher zu machen – ein Mercedes mit 180.000 Kilometern auf der Uhr ist bekanntlich gerade einmal eingefahren. Aber wie gut wird er heute zu Fuß sein? Zwar sind seit der Wiedererweckung 2005 – nach knapp vierjährigem Dornröschenschlaf – reichlich Geld und Ersatzteile in die Restaurierung geflossen. Aber was kann nicht alles kaputtgehen zwischen Dover und Cape Wrath?

Dienstags, 8.15 Uhr. Wir verlassen Aachen – der Benz, die Beifahrerin und ich, der sich seine nagenden Zweifel nicht anmerken lässt, ob es mit der statistischen Wahrscheinlichkeit eines Defekts alle 1 Million Kilometer noch hinhaut, mit der Mercedes seine Dieselmodelle vor 30 Jahren beworben hat.

Doch die Reise verläuft völlig problemlos. Jedenfalls in der ersten Stunde. Nach 150 Kilometern auf dem Brüsseler Ring stehen wir allerdings im berühmten Brüsseler Ringstau. So etwas ist dann besonders unangenehm, wenn man weiß, dass die Zwölf-Uhr-Fähre darauf keine Rücksicht nehmen wird. Außerdem sind moderne Navigationsgeräte (zum Beispiel „Knubbel“, mein geliebtes Garmin i3 von 2001) in der Lage, jede neue Minute Verzögerung bei der Ankunftszeit in Dünkirchen genau anzuzeigen. Gottseidank, hinter Brüssel löst sich der Stau auf. Nur um auf der A18, der flandrischen Küstenautobahn, wieder einzusetzen. Wir quälen uns in dickem Verkehr nach Westen und ignorieren Ortsnamen wie De Panne.

Es reicht nicht. Es kann auch nicht reichen. Trotz Sprints auf dem Zubringer zum Fährhafen (ein couragiert gefahrener 240 D kann in Kreisverkehren auf französischen Landstraßen durchaus die Reifen quietschen lassen), erreichen wir die Terminals zwar noch kurz vor dem Ablegen der Fähre um etwa zwei Minuten vor 12. Doch der Mitarbeiter der Fährgesellschaft schüttelt bedauernd den Kopf: Zum Einchecken seien wir leider zu spät. Immerhin, der Zöllner winkt uns anstandslos durch, nachdem er sich – im Ernst! – über den Dieselmotor im Coupé gewundert hat.

Der Bug der Fähre ist immer noch hochgeklappt. Sollte am Ende…?

Der Diesel brüllt auf und stürmt mit der Wut der Verzweiflung die Rampe hoch. Metallplatten poltern. Ein überraschter Einweiser zeigt auf die dritte Spur von rechts. Hinter einem Wohnmobil kommt der Benz zum Stehen. Motor aus. In der plötzlichen Stille senken heulende Elektromotoren den Bug der Fähre ab. Einen glücklichen Moment lang ist die Zufriedenheit von Auto und Insassen deutlich zu spüren.

Willkommen an Bord. Nächstes Mal bitte nicht so knapp.
Willkommen an Bord. Nächstes Mal bitte nicht so knapp.

Alea iacta est. Wir sind auf See.

European Roundabout - always drive on the right side oft the road
European Roundabout – always drive on the right side oft the road

Im Duty-Free-Shop auf dem Schiff gibt es neben günstigem Single Malt auch diese originellen Aufkleber für den britischen Autofahrer zu kaufen. Für nur 3,49 Pfund die Gewissheit, in kontinentalen Kreisverkehren immer richtig („right“) abzubiegen – wenn das nicht sein Geld wert ist!

Zwei Stunden lang dauert die Überfahrt, dann rollt das schokoladigste Dieselcoupé westlich des Urals zum dritten Mal auf britischen Boden. Was für ein schönes Gefühl, nach so vielen Jahren zurückzukehren – „dreimal ist Oldenburger Recht“, sagt man da, wo ich herkomme. Erstaunlich unproblematisch wuseln wir uns durch örtliche Links- und Kreisverkehre. Dann geht’s auch schon auf die Autobahn, Richtung Norden. Bloß: Was ist mit Knubbel los? Der kugelförmige Wegweiser an der Windschutzscheibe scheint keine Satellitenverbindung zu bekommen, leitet uns durch Niemandsland. Siedend heiß fällt mir ein: Er hat zwar die Straßenkarten für Kontinentaleuropa im Speicher. Doch seit der Spanienfahrt mit dem Motorrad 2008 ist dort zwar Südeuropa geladen, nicht Großbritannien. Ohne Navi durch fünf Länder? Ist so etwas im Jahr 2009 überhaupt noch erlaubt?

Das Handy hilft. Mein HTC Orbit hat eine TomTom-Navigation installiert, die zwar eigentlich nur Deutschland, Österreich und die Schweiz kann, vom Rest Europas aber auch die Hautpstraßen verinnerlicht hat. Was später im Fall des ausgedünnten schottischen Straßennetzes heißen wird, dass praktisch jede noch so sekundäre Single Track Road vermerkt ist. Wäre TomTom wohl zu peinlich geworden, nördlich von Gretna Green nur noch Heideland zeigen zu können.

Über Englands grüne Hügel kommen wir flott voran. Um den Brüssel-Effekt zu vermeiden, umfahren wir London weiträumig und ziehen ein gutes Stück weiter östlich auf der A1 an Cambridge und Peterborough vorbei. Das funktioniert auch wunderbar – bis zu einem Nest namens Worksop, wo die Autobahn gesperrt ist und wir wieder mal in einem Stau landen. Es herrscht inzwischen Feierabendverkehr. Unendlich langsam quälen wir uns in einer Blechschlange durch eine Ortschaft nach der anderen. Wie weit kommen wir heute noch? Da ich in der vergangenen Nacht kaum geschlafen habe (das Packen und Erledigen letzter Dinge dauert irgendwie immer viel länger als geplant), bin ich inzwischen todmüde. Die Beifahrerin bucht mobiltelefonisch ein Zimmer in einem Hotel der Kette Travelodge in Sheffield. Eigentlich wollten wir ja überall nur in Bed & Breakfasts einkehren, schon des Geldes wegen.

Wir erreichen die Stadt am späten Abend. Ich bin inzwischen dermaßen fix und fertig, dass ich zweimal im Kreisverkehr rechtsherum abbiege. Upps. Schade, dass es auf der Fähre keine Roundabout-Aufkleber für Continental Drivers zu kaufen gab. Und schade, dass es ohne Navi und Stadtplan so unendlich lange dauert, in einer Riesenstadt wie Sheffield ein Hotel in einer Seitenstraße zu finden. Nach stundenlanger Suche in irgendwelchen Industriegebieten sind wir endlich da – und ich so erledigt wie selten. Schnell noch ein original englisches Abendbrot (also vom Take-Away-Chinesen), und ab in die Federn. 800 Straßenkilometer liegen hinter uns – das war ein kleines bisschen weiter als nötig.

Mittwoch, 19. August 2009, zweiter Tag. Ziemlich genau zwölf Stunden nach dem Einschlafen werden wir wach. Kurz vor der mittäglichen Schließung des angeschlossenen „Little Chef“-Schnellimbisslokals (einer ansonsten weitgehend verzichtbaren Imbisskette) ergattern wir noch ein original englisches Frühstück:

English Breakfast in Sheffield
English Breakfast in Sheffield

Der Eishockey-Puck da oben auf dem Teller ist übrigens Black Pudding, Blutwurst. Natürlich in der Pfanne frittiert, so wie die Würstchen, die Eier, die Tomaten, die Kartoffeln und die Toastbrotscheiben daneben. Heartburn, thy name is English cuisine.

Der nächste Teil der Strecke gestaltet sich überraschend malerisch: Der Peak District Nationalpark mit seinen Hochmooren und Wäldern erinnert schon ein wenig an Schottland. Die Beschilderung ist von, äh, britischer Zuvorkommenheit.

"Bitte verunfallen Sie hier."
„Bitte verunfallen Sie hier.“

„Bitte verunfallen Sie hier“ – das gibt es zu Hause in der Eifel nicht.

Schließlich erreichen wir wieder die Autobahn. Und auf ihr, einige Stunden später, endlich das Land der Pikten und Scoten.

Welcome... to... Scot... land...
Welcome… to… Scot… land…

„Welcome to Scotland“ – praktisch auf den Kilometer genau passt sich das bis dato eher heiter-sonnige Wetter dem Klischee an. Den berühmten Heiratsort Gretna Green passieren wir schon in bestem schottischen Gepladder.

In Town Slow Down
„In Town Slow Down“ – Verkehrsleitpoesie made in Scotland

Einzige Abwechslung auf dem Weg in die Metropole Glasgow sind die freundlichen Mahnungen der Autobahnschilder: „Please Use Seatbelts“ oder „In Town Slow Down“. Da hat man wenigstens was zu lesen, die Lowlands sind ja nicht sooo reich an Naturwundern.

In Glasgow schlagen wir unser Quartier wiederum in einem Travelodge auf. Es steht am Rande einer früheren Industriebrache am Ufer des Clyde, auf der inzwischen ein Vergnügungsviertel erblüht ist. Zu Essen gibt es heute nicht Chinesisch, sondern Mexikanisch. Dann ist auch Tag Zwei der Reise zu Ende. Da sind wir wieder, 14 Jahre später. Ob der Benz sich erinnert?

Donnerstag, 20. August, dritter Tag. Glasgow! Fast ein Jahr lang meine Heimatstadt. Damals noch mit deutlichen Spuren von Stahlkrise, Werftenkrise, Kohlekrise, hat sich die alte Dame am Clyde heute mächtig gemausert. Neubauten allüberall, moderne Geschäftsgebäude, Einkaufszentren. Ganze Stadtviertel erkenne ich nicht wieder.

Immerhin, der berühmte Willow Tea Room in der Sauchiehall Street ist noch da.

Der Willow Tea Room in der Sauchiehall Street
Der Willow Tea Room in der Sauchiehall Street

Gestaltet von Charles Rennie Mackintosh, Glasgows bekanntestem Jugendstilarchitekten, bietet die Galerie im Obergeschoss (und dem Room de Luxe darüber) mit seinem pastellfarbenen Interieur und dem typischen Mackintosh-Mobiliar eine einzigartige Atmosphäre – hier ist alles wie vor über hundert Jahren (wahrscheinlich inklusive der nervig brummenden Lüftung).

Scottish Breakfast in Glasgow
Scottish Breakfast: Arbroath Smokie

Und der Arbroath Smokie ist über jeden Tadel erhaben. So sieht ein schottisches Frühstück aus, liebe Leute von südlich der Grenze.

West George Street mit St. George's-Tron Church
West George Street mit Blick auf St. George’s-Tron Church

Damit im Bauch lässt sich gut die Stadt erkunden. Ein Blick die West George Street hinunter auf die St. George’s-Tron Church. Glasgows Mitte hat einen gitterartigen Grundriss.

Glasgow City Chambers
Glasgow City Chambers – das Rathaus einer Weltstadt

Die City Chambers am George Square – das Rathaus spiegelt den Anspruch der Stadt, nach London die Number Two in Queen Viktorias Empire zu sein…

Wir ham's ja.
In den City Chambers: Wir ham’s ja.

…auch im Inneren wieder. Und das ist nur eins von zwei Treppenhäusern. Im Zentrum des Platzes, benannt nach His Madness King George III, thront auf einer Säule –

Sir Walter Scott (links) und schottisches Wildgeflügel
Im Blick des Nationaldichters: Sir Walter Scott (links) und schottisches Wildgeflügel

genau, nicht der König, sondern Schottlands Nationaldichter Sir Walter Scott (links, der mit dem nachdenklichem Blick). Die Hannoveraner Königsfamilie war zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Platzes nämlich gerade ähnlich populär wie ihre Nachfahren unmittelbar nach dem Unfalltod einer gewissen Diana Spencer.

Strathclyde University - die beste von Glasgows vielen Unis
Strathclyde University – die beste von Glasgows vielen Unis

Mein alter Campus: Strathclyde University. In einer siebeneinhalb Quadratmeter, ähm, großen Studentenzelle in der Wohnanlage Birkbeck Court habe ich von Oktober 1993 bis Juni 1994 gehaust gelebt. Und jeden Tag Angst um den Benz gehabt, der, wann immer irgendwo ein paar Quadratmeter frei waren, verbotenerweise auf dem Campus übernachtete. Bis irgendwann ein freundlicher, aber bestimmter Brief der Verwaltung an den Eigentümer des „Brown Mercedes Car“ unterm Scheibenwischer klemmte: bitte fürderhin nicht mehr die Zufahrt zum „Lord Todd“ zuparken, dem Uni-Pub. Dessen Mitarbeiter sahen das kontinentale Sternmobil dagegen mit Wohlwollen – „it’s a man’s car“, sage einer von ihnen mal zu mir. Das entschädigte sogar für den an einem anderen Tag auf den staubigen Lack gemalten Spruch „RICH CUNT“, den ich mal besser unübersetzt lasse.

Zurück ins Jahr 2009. Wir beenden den Tag à la recherche du temps perdu mit einem letzten Bummel die Buchanan Street hinunter. Dabei wird natürlich nicht der Capucchino im immer noch wunderschönen Jugendstil-Einkaufszentrum Princes Square vergessen.

Princes Square
Princes Square, Blick ins verglaste Atrium

Zurück ins Hotel. Nach dem englischem Abendbrot und Frühstück des Vortags und dem schottischen Brunch heute Morgen ist uns jetzt natürlich nach… ach ja, Mexikanisch. Denn das ist das einzige Restaurant, das abends in Hotelnähe noch aufhat.

Freitag, 21. August 2009, vierter Tag. Zeit, die Stadt zu verlassen. Und zwar wie vor 15 Jahren über die Great Western Road, die A 82, die uns über die Vororte Drumchapel, Clydebank, Old Kilpatrick und Dumbarton…

Am Loch Lomond
By yon bonnie banks and by yon bonnie braes,
Where the sun shines bright on Loch Lomond…

…an die Ufer des vielbesungenen Loch Lomond führt, Schottlands zwar nicht größtem Binnensee (das ist der Loch Ness), dafür aber angeblich dem schönsten des Landes.

Wie perfekt sich der Moorbraune seiner Umgebung anpasst!
Finde den Diesel: Unauffällig verschmilzt der Moorbraune mit der Landschaft

Das „Ben Lomond“, eine urige Kneipe in einer ehemaligen kleinen Kirche, lädt zum Frühstück ein. Auf dem Parkplatz beweist der Moorbraune, wie perfekt er sich auch nach all den Jahren noch den örtlichen Gegebenheiten anpassen kann.

Bei Tarbet verlassen wir Loch Lomand und A 82, um nach Westen auf die A 83 abzubiegen. Sie folgt dem Nordausläufer des Loch Long und steigt schließlich das Glen Croe zum Rest-and-be-thankful-Pass auf.

Rest-and-be-thankful
Am Rest-and-be-thankful-Pass – Blick ins Glen Croe

Seinen schönen Namen verdankt er den Soldaten, die Ende des 18. Jahrhunderts die ursprüngliche Militärstraße durch die Berge bauten. Sie ist hier im Bild noch unterhalb der modernen Landstraße zu sehen.

Schottisch-englisches Kulturgut
Schottisch-englisches Kulturgut in Inveraray

Dann geht es wieder bergab in Richtung Küste. Etwa hundert Straßenkilometer von Glasgow entfernt liegt Inveraray. Das schmucke, ebenfalls gegen Ende des 18. Jahrhunderts neu angelegte Zentrum der Argyll-Region, ist mit seiner weißen Seefassade am Ufer des Loch Fyne ein architektonisches Schmuckstück. Der fünfte Duke of Argyll ließ das Städtchen vom Architekten Robert Mylne buchstäblich am Reißbrett entwerfen und verwirklichen.

Inveraray Castle
Inveraray Castle

Hauptattraktion sind ein original georgianisches Gefängnis und Inveraray Castle, das Schloss der Herzöge von Argyll, ein Sproß des mächtigen, wenn auch nicht bei jedem beliebten Clans der Campbells. Nicht alle Herrschaftssitze des Landes sind in so schöner Verfassung.

Kilchurn Castle
Kilchurn Castle, von der A85 aus gesehen

Zu spät gesehen und gerade noch aus dem Autofenster fotografiert: Kilchurn Castle am Nordende des Loch Awe – wohnen möchte man da nicht, aber was für eine Prachtruine!

Kurvenfahrt
Kurvenfahrt – der Diesel tobt durch die Highlands

Das Leben ist eine Landstraße. Begeistert jagt der Diesel durch das Land der Glens und Bens. Schließlich erreichen wir Loch Linnhe, sozusagen die südliche Verlängerung des quer durchs Land verlaufenden Loch Ness.

Castle Stalker, das Schloss von Aaaargh
Castle Stalker, das Schloss von Aaaargh in den „Rittern der Kokosnuss“

Castle Stalker auf seiner kleinen Insel dort zählt zu den am hübschesten gelegenen Burgen Schottlands. Dass der malerische Turmbau als „Schloss von Aaaargh“ in der Schlussszene von Monty Pythons Rittern der Kokosnuss auftaucht, darf man in romantischen Momenten touristischer Zweisamkeit aber auch unerwähnt lassen.

Über Fort William, den Loch Lochy (heißt wirklich so!) und Fort Augustus erreichen wir endlich den ach so legendären Loch Ness. Hätten sich die findigen Leute von Drumnadrochit nicht den Gag mit dem Ungeheuer ausgedacht, müssten sie Werbung damit machen, am langweiligsten See Schottlands zu leben, und wer weiß, ob das den Tourismus genauso angekurbelt hätte.

Urquhart Castle
Urquhart Castle am Loch Ness

Ach ja, und es gibt da noch Urquhart Castle. Sollte es jemals geöffnet sein, wenn ich dran vorbeifahre, werde ich mit Freuden den gewiss horrenden Eintrittspreis latzen und es mir endlich mal angucken, ich schwöre. Ich rechne aber nicht damit, dass das je der Fall sein wird. Urquhart Castle hat immer geschlossen. Immer.

Der Rest des Abends vergeht mit erfolgloser Suche nach einem halbwegs bezahlbaren Bed & Breakfast in Inverness. Ich weiß schon, warum ich die Ostküste nicht mag: flach, teuer, leicht snobistisch und voller Schlipsträger. Golfspieler sehen das sicher anders, aber ich bin und bleibe ein West Coast Man, aye, Sir. Am Ende gebe ich mich geschlagen – es wird zum dritten Mal ein Travelodge. Im Vereinsheim des nahegelegenen „Fairways“ Golf Club gibt es ein Absackerbier.

Samstag, 22. August 2009, fünfter Tag. Frühstück serviert ebenfalls der Golf Club. Gegen Mittag (oh, warum kommt man eigentlich nie eher los?) geht es endlich aus Schottlands nördlichster Stadt hinaus, über die große Brücke über den Beauly Firth, die A 9 hoch und über den Cromarty Firth. Dort ist für uns das Zivilisationsgefühl auch schon wieder zu Ende, wir biegen links ab auf die buckelige (aber immerhin noch zweispurige) B 9176.

Blick auf den Dornoch Firth
Blick auf den Dornoch Firth – „Queen’s View“ sozusagen

Schließlich kommt der Dornoch Firth in Sicht – und in was für eine Sicht.

Heidehang
Oh, wie herrlich blüht die Heiiide….

Wir halten an einem Aussichtspunkt an. Ringsum erstreckt sich blühende Heide. Obwohl ich schon dreimal in Schottland war, sehe ich das berühmte Naturschauspiel zum ersten Mal in voller Pracht: Lila, soweit das Auge reicht. Am Rand des Gestrüpps ein niedergelegter Blumenstrauß – was wohl der Anlass sein mag?

Auch der Benz darf den Anblick genießen
Auch der Benz darf den Anblick genießen

Ein Stück hinter Bonar Bridge – die Straße heißt wieder A 836 – locken Schilder zum „Falls of Shin Visitor Centre„. Wenn ich unterwegs bin, ist Spontaneität angesagt: Also wird abgebogen. (Es ist für diesen Reisestil natürlich hilfreich, selbst am Steuer zu sitzen.)

Die Falls of Shin entpuppen sich als veritabler Wasserfall (wenn sie es auch nicht mit dem Niagarafall aufnehmen können). Was sie so besonders machen, sind die Lachse, die auf dem Weg zu ihren Laichgründen meterhoch aus den Stromschnellen springen.

Springender Lachs
Springender Lachs

Alle paar Minuten jumpt ein solcher Kaventsmann aus dem tosenden Wasser. Viele fallen zurück, probieren es wieder und wieder. Man kann sich kaum vorstellen, wie die Tiere gegen die stürzenden Wassermassen anschwimmen können. Und all das, weil ihr Instinkt sie den Fluss hinauf treibt. So etwas habe ich noch nie gesehen – das war den Abstecher absolut wert!

Crask
Crask. Say no more.

Bald dahinter wird es dann endlich einspurig. Und einsam. Wir sind im Sommer hier – wie mag es wohl im Winter aussehen? Ohne Landrover und ordentlich Brennholz ist man in dieser Gegend sicher aufgeschmissen.

Achtung, Lämmer auf der Straße
Achtung, Lämmer auf der Straße

Immerhin sind wir offensichtlich nicht die ersten Kontinentaltouristen in dieser Gegend…

Gegen 19 Uhr erreichen wir nach etwa 200 Kilometern Fahrt Durness an der Nordküste, das letzte größere Dorf vor dem Cape of Wrath.

Smoo Cave
Smoo Cave

Nach dem Einchecken in einem sehr netten B & B wandern wir zur örtlichen Attraktion, der Smoo Cave. Die Auflösung der Kamera ist leider nicht groß genug, um die Myriaden von Mücken zu erfassen, die uns dabei umschwirren. Auch diese typisch schottische Attraktion ist mir in ihrer ganzen Herrlichkeit bislang entgangen. Es ist unerträglich.

Wasserfall in der Smoo Cave
Ein Wasserfall in einer Höhle

In der rund 60 Meter langen, 15 Meter hohen und 40 Meter breiten Höhle stürzt der „Allt Smoo“ durch ein Loch in der Decke, in das der Räuber McMurdo angeblich seine Opfer stieß.

Sonntag, 23. August 2009, sechster Tag. Am Morgen fahren wir zum Fähranleger bei Keoldale, von dem aus uns ein Boot über den Kyle of Durness zum Cape Wrath bringen soll. Das Boot ist tatsächlich ein winziges Motorboot. Auf dem Schild am Fähranleger hat jemand, offenbar nach wiederholten Nachfragen, mit einem Edding aufgemalt: „Reason for small boat: very low tides“. Am anderen Ufer des Kyle erwartet uns ein rostiger Mercedes-Minibus, der uns unter launigen Erklärungen eines Führers durch eine völlig menschenleere Landschaft schaukelt. Rehe grasen friedlich neben dem Weg. Gut 18 Kilometer geht es durch die Heide, dann sind wir endlich da: Am Cape Wrath, dem nordwestlichsten Punkt Großbritanniens.

Leuchtturm am Cape Wrath
Leuchtturm am Cape Wrath

Der prächtige weißgestrichene Leuchtturm wurde 1828 von Robert Stevenson erbaut und war bis 1998 bemannt. Ansonsten gibt es hier nicht viel – in einem Raum kann man Kaffee und Snacks bekommen, doch alles wirkt eher ambulant. Die Frage nach dem Vorhandensein von Toiletten beantwortet der Guide mit einem fröhlichen „no, but we have a nice selection of walls“.

Marc am Cape
Erinnerungsfoto am Cape Wrath

So sieht es aus, das Ende der Welt (nordwestliche Kante). Unwirtliche Gegend. Wir irren eine Weile über die kargen Felsen, bis schließlich der Bus wieder abfährt. Auf der Rückfahrt sehen wir noch ein paar Robben, die sich auf einer Sandbank aalen.

Die A 838 bringt uns nach Südwesten, in Richtung des etwa 100 Kilometer entfernten Ullapool. Loch reiht sich an Loch – Loch Taebaidh, Loch Inchard, Lach a‘ Bhagh Ghainmich, Loch a‘ Bhadaid Daraich, Loch Dubhaird Mor, Loch Aillt na h-Airbhe, Loch a‘ Chairn Bhain, Loch Gleann Dubh. Was für eine herrlich dunkle und wohlklingende Sprache das Gälische ist.

Pausenplatzblick
Kein Rastplatz ohne überwältigend schöne Aussicht

Unterwegs bietet sich an einem Rastplatz entlang der North & West Highland Tourist Route dieses herrliche Panorama. Schottlands nördliche Westküste wird für mich immer eine der liebsten Ecken der Welt bleiben.

Ardvreck Castle
Ardvreck Castle, Heimstatt der MacLeods of Assynt

Und Burgruinen gibt es natürlich auch. Auf Ardvreck Castle lebten im 15. Jahrhundert die MacLeods of Assynt. Das Schloss soll von diversen Geistern bespukt werden, darunter die weinende Tochter eines MacLeod-Clanchefs, die sich im Loch Assynt ertränkte, nachdem ihr Vater sie mit dem Teufel verheiratet hatte, um seine Burg zu retten. Noch heute sollen Geister und geheimnisvolle Lichter in den Ruinen zu sehen sein und Autofahrer berichten von in der Nacht entgegenkommenden Scheinwerfern, zu denen kein Wagen gehört.

Am späten Nachmittag erreichen wir das Fischerdörfchen Ullapool, mit seinen gut 1300 Einwohnern so etwas wie die Metropole der nördlichen Westküste, denn danach kommt bis Durness rein gar nichts mehr. Die schwarz-weiß gestrichene Fähre „Isle of Lewis“ der Linie Caledonian MacBrayne verbindet das Festland mit den äußeren Hebriden. Nach Stornoway auf Lewis bin ich 1994 einmal gefahren, um die Doppelinsel auf einem gemieteten Mountainbike zu umradeln. Ein tolles Erlebnis. Heute parkt der Benz wieder auf der Uferstraße, auf der er auch damals drei Tage lang auf meine Rückkehr wartete.

Ullapool by night
Ullapool by Night

Im Fischrestaurant „The Chippy“ gibt es grandios gutes Seafood. Der Tag klingt mit einer Flasche 2007er Chardonnay aus. Soll keiner sagen, sie hätten keine Kultur da oben in den Highlands…

Montag, 24. August 2009, siebter Tag. Strahlende Sonne scheint ins Zimmer unseres Bed-and-Breakfast. Auf dem Loch Broom glitzert das Wasser. Draußen schwirrt ein Schwarm ausgelassener kleiner Vögel durch die blühenden Hecken, die den Parkplatz vom Strand abtrennen. Vor unseren Augen legt wieder die „Isle of Lewis“ ab.

Ullapool, Uferstraße
An dieser Straße hat der Benz schon 1994 gestanden

Auf der A 835 halten wir nach Süden. Das nächste Ziel wird einer der Höhepunkte der Reise: die Hebrideninsel Isle of Skye. Am Loch Glascarnoch geht es zunächst wieder ein Stück weit nach Osten.

Links fahren
Freundliche Erinnerung für kontinentale Schussel

Die Landschaft verändert sich, wird grüner, saftiger. Und touristischer, wie uns diese schildgewordene Ermahnung an einem Rastplatz verrät. Schließlich öffnet sich das Land zur Küste: Loch Shieldaig und Loch Torridon spiegeln das Blau des Himmels wieder. Dahinter: die offene See.

Fjordpanorama
Ein Panorama wie im Fjord – nur die Straßenseite ist die andere

Ein Stück hinter Shieldaig schließlich zweigt von der A 896 eine winzige unscheinbare Straße nach rechts ab. „Applecross 38“ steht drauf.

Kammberg
Der Prototyp eines Bergkamms

Das winzige einspurige Sträßchen folgt jeder kleinen Bodenwelle, umkurvt jeden Kiesel auf der Halbinsel Applecross, einer vom Rest des Landes ziemlich abgeschlossenen und der Isle of Skye zugewandten Gegend. Die einzige größere Niederlassung sind einige Häuser an der Hauptstraße, die zwar auf Landkarten als „Applecross“ verzeichnet sind, aber lokal nur „The Street“ genannt werden.

Blick von der Applecross-Halbinsel
Blick von der Applecross-Halbinsel auf Loch Torridon

Nachdem sie länger dem nordwestlichen Verlauf des Loch Torridon gefolgt ist, knickt die Straße an der Nordspitze der Halbinsel ab und folgt der Küstenlinie nach Süden. Dabei bietet sich ein herrlicher Blick auf die Inseln Skye (hinten) und die ihr vorgelagerte Inselkette aus Rona, Raasay, Fladday und Scalpay.

Blick auf Skye und Raasay
Blick auf Rona (vorne) und Skye (dahinter)

Die auf der Hinfahrt gepflückten Wildblumen in der Vase am Armaturenbrett weichen einem Gruß aus der Heide. So friedlich es hier auch aussieht, im Winter zeigen die Highlands ein anderes Gesicht. Ein Schild „Road normally impassable in wintry conditions“ zeugt davon.

Ein Gruß aus der Heide
Kleiner Gruß aus der Heide

Hinter Applecross, Verzeihung, hinter „The Street“, knickt die Straße wieder nach links ins Landesinnere ab und erklimmt den über 2000 Fuß hohen Bergrücken Bealach na Ba. Die Wikipedia weiß, dass diese Route lange als eine der schwierigsten Straßen Schottlands bekannt war. Der Diesel muss arg brüllen, bis er die letzte der engen Serpentinen heraufgekraxelt ist. Und sein Fahrer rührt mächtig im Getriebe.

Serpentinenblick vom Bealach na Ba
Blick auf die Serpentinen vom Bealach na Ba

Es folgen einige der beliebten Straßenwarnungen Großbritanniens:

Low gear now
Herunterschalten bitte
Steinschlagschild
Rolling Stones in zwei Meilen
Strome Ferry
Keine Fähre in Strome Ferry

Das untere Schild ist so etwas wie eine lokale Berühmtheit. Der britische Autor Iain Banks lässt es sogar in einem seiner Romane vorkommen.

Over the sea to skye...
„Carry the lad thats born to be king / O’er the sea to Skye…“

Schließlich taucht sie im Dunst auf auf, die mythenumwobene Insel Skye. Hierhin flüchtete der legendäre Bonnie Prince Charlie 1746, nachdem sein Jakobiteraufstand von den englischen Truppen bei Culloden niedergeschlagen worden war. Im Skye Boat Song wurde seine Flucht besungen:

Speed bonnie boat like a bird on the wing
„Onward“ the sailors cry
Carry the lad thats born to be king
Over the sea to Skye

Wir überqueren die neue Skye Bridge – als ich in den 90er Jahren zuletzt in Schottland war, fuhr hier noch Caledonian MacBrayne – und checken in Kyleakin in Mrs. Morrison’s B&B ein. Ein Stück weit die Uferstraße Kyleside herunter bietet ein Pub lärmende Unterhaltung für die Rucksacktouristen aus dem Backpacker’s – oh, war ich nicht selber mal als ein solcher hier, 1992 mit Interrail-Karte?

Einen letzten Punkt habe ich noch auf der Tagesordnung: einen Abstecher nach Elgol (gälisch: Ealaghol), einer dahingeworfenen Handvoll Häuschen rund um einen Anleger an der Westküste. Mit grandiosem Blick auf die Cuillin Hills, eine fast 1000 Meter hohe Gebirgskette. Ganz so einfach ist der kleine Abendausflug allerdings nicht: Es geht rund 35 Kilometer über eine sich windende Single Track Road an die Westküste, entsprechend langsam kommt man voran. Als wir schließlich die steilen Kurven zum Pier herunterkurbeln, geht die Sonne gerade im Nebel über den Cuillins unter.

Elgol
Auch ein Ende der Welt: Elgol

Dann geschieht etwas Wundervolles: Mit ihren letzten Strahlen setzt die Sonne den diesigen Himmel in Brand. Minutenlang lang sind der verregnete Pier, die Häuser von Elgol und die Bergkette auf der anderen Seite des Sunds in einen einzigartigen, flammend rot-goldenen Schein getaucht. Niemals habe ich so ein Licht gesehen. Diesen Moment werde ich nicht vergessen, so lange ich lebe.

Sonnenuntergang
Sonnenuntergang über den Cuillins

Wie verzaubert stehen wir da. Dann, von einer Sekunde auf die andere, ändert sich das Bild. Das Gelb der Sonne taucht hinter den Bergrücken ab, an den sich weiße Wolkenfetzen schmiegen. Es ist, als hätte jemand das Licht ausgeknipst – plötzlich ist es kalt und dunkel. Der Zauber ist vorüber, der magische Moment vorbei.

Ein weiteres Auto mit Touristen kommt über die Serpentinen herunter an den Pier gekurvt. Wenige Minuten zu spät – aber was ist ihnen entgangen! Zeit für uns, zu gehen. In kürzester Zeit wird es stockfinster. Den Rückweg müssen wir uns durch umherwandernde Herden von Schafen und Kühen erkämpfen.

Dienstag, 25. August 2009, achter Tag. Nun aber: Skye. Die größte der Hebrideninseln ist etwa 80 Kilometer hoch, 40 breit und so von Meerarmen zerklüftet, dass laut Reiseführer kein Ort auf ihr mehr als acht Kilometer vom Wasser entfernt ist.

Von Kyleakin fahren wir auf der A 87 über Broadford (ich werde immer an den leicht schmierigen Wirt denken müssen, der uns deutschen Studenten 1993 die Bedeutung von „Gherkins“ erklärte) bis zum Hauptort Portree, wo wir auf die A 887 abbiegen, die uns die Ostküste hinaufführt.

The Old Man of Storr
The Old Man of Storr

Die rund 50 Meter hohe Felsnadel Old Man of Storr hebt sich vor dem bewölkten Himmel ab. Das Wetter ist schottisch: Zwischen kleineren Regenschauern bricht immer wieder die Sonne durch. Alle vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag, wie man so schön sagt.

Skye im Rückspiegel
Man möchte die Augen überall gleichzeitig haben

Und dann diese Namen: Skye wird vom Meer in mehrere Regionen unterteilt, die sich wie Finger einer Hand in die See ausstrecken: Sleat im Süden, Minginish im Südwesten, Duirinish im Nordwesten, Waternish im Nordnordwesten und Trotternish im Norden.

Am Kilt Rock
Ein Kilt mit Regenbogen – sieht es nicht so aus, als ob er…?

Am Kilt Rock etwas weiter nördlich drängeln sich die Touristen. Als kurz die Sonne herauskommt, schimmert dieser Regenbogen, öhm, in hohem Bogen durch die Luft.

Berge im Norden von Trotternish
In den Bergen im Norden von Trotternish

Schließlich schwenkt die Landstraße nach links, schneidet die Nordspitze von Trotternish ab und führt uns nach Duntulm an der Westküste.

Duntulm Castle
Duntulm Castle – oder was davon übrig ist

Dort liegt, auf einer steilen Klippe über dem Atlantik, Duntulm Castle aus dem 14. Jahrhundert – oder das, was vom einstigen Sitz der MacDonalds of Sleat noch übrig ist, die sich hier über Jahrhunderte mit den MacLeods über die Inselherrschaft stritten. Als die MacDonalds nach 1730 endlich die Oberhand hatten, gaben sie die Burg auf und bauten einige Meilen weiter südlich einen neuen Stammsitz. Wer sich einige Zeit gegen den tosenden Wind gestemmt hat – man muss tatsächlich weit vornübergebeugt laufen, um nicht umgeweht zu werden -, kann es ihnen nicht verübeln. Was müssen die armen Menschen gefroren haben in ihren ungeheizten Räumen…

Skye Museum of Island Life
Die Crofts des Skye Museum of Island Life

Einige Meilen weiter südlich zeigt das Skye Museum of Island Life, wie damals und bis vor noch gar nicht so langer Zeit die Menschen auf der Insel lebten: In solchen Crofts aus Natursteinen und Reet.

Das Grab von Flora MacDonald (hinten) auf dem Friedhof von Kilmuir
Das Grab von Flora MacDonald (hinten) auf dem Friedhof von Kilmuir

Auf dem Friedhof von Kilmuir daneben liegt das Grab der großen Flora MacDonald, die Bonnie Prince Charlie auf seiner Flucht das Leben rettete. 3000 Menschen sollen hier 1790 zu ihrer Beerdigung gekommen sein. Der berühmte Gelehrte und Schottlandreisende Dr. Samuel Johnson ließ später die Inschrift anbringen: „Her name will be mentioned in history / and if courage and fidelity be virtues / mentioned with honour“.

Kirchenruine
Cill Chriosd („Christuskirche“)

Auch Kirchen sind in der wechselvollen Geschichte Schottlands nicht sicher vor Zerstörung. Die Ruinen der Cill Chriosd oder „Christ Church“ an der Straße nach Broadford sind ein Beispiel. 1840 wurde das Gotteshaus aufgegeben, als in Broadford eine neue Kirche entstand. Auf dem Gelände liegen viele MacLeods begraben. An den Wänden der Kirche sind für mehrere Chiefs des Clans prächtige Epitaphe angebracht – etwa Norman, den 23. Chief (gestorben 1895) und Flora, die 28. Chefin (gestorben 1976).

Noch einmal die Cuillins
Noch einmal die Cuillins

Abends sind wir wieder bei Mrs. Morrison in Kyleakin. In einem Restaurant vor dem Ort genießen wir das originäre Essen des britischen Empires, nämlich die wundervolle indische Küche. Beim Essen überlegen wir: Ob wir noch einmal so einen herrlichen Sonnenuntergang über den Cuillin Hills erleben wie nach unserer Ankunft? Ein zweites Mal machen wir uns auf den gut 30 Kilometer langen einspurigen Weg hinunter nach Elgol. Keine Frage: Der Blick ist auch heute beeindruckend. Aber nichts, was sich mit gestern Abend vergleichen ließe.

Mittwoch, 26. August 2009, neunter Tag. Der Himmel ist trübe und es regnet, als wir Skye verlassen. Wenige Kilometer weiter den Loch Alsh hinauf wartet hinter dem Dorf Dornie das schottische Gegenstück zu Schloss Neuschwanstein: die wohl meistfotografierte Burg des Landes.

Eilean Donan Castle
Eilean Donan Castle

Eilean Donan Castle im Loch Duich, Stammsitz der Macraes, beim Jakobiteraufstand 1719 von drei englischen Fregatten zu Klump geschossen und erst nach 1911 von einem Macrae wieder aufgebaut. Unsterblich geworden als Kulisse in Filmen wie Highlander, Braveheart, Rob Roy und James Bond – Die Welt ist nicht genug.

Als ich 1992 als Rucksacktourist auf diesen Steinen herumkraxelte, war die größte Schwierigkeit, die Burg so zu fotografieren, dass auf den Fotos nicht die unmittelbar daneben verlaufende zweispurige Landstraße A 87 samt der Betonbrücke über den Loch auftauchte.

Das ist heute das kleinere Problem. Heute muss man sich verrenken, um nicht das ausgedehnte mehrstöckige Besucherzentrum ins Bild ragen zu lassen, das die Touristenhorden empfängt, die von Dutzenden teilweise ebenfalls mehrstöckiger Reisebusse angekarrt werden. Ich habe das Monstrum absichtlich nicht fotografiert. Im Inneren gibt es immerhin heißen Tee und eine kostenlose Spinnrad-Demonstration durch eine freundliche ältere Lady mit betörendem schottischen Akzent.

Dann setzen wir uns wieder ins Auto – und der Regen endgültig ein. „Heavy Rain and Flooding Forecast – drive with care“ warnt eine der verbreiteten Anzeigetafeln, und während der nächsten über 200 Kilometer durch die Highlands verlassen wir das Auto nicht mehr. Kurz vor Glasgow, das Wetter ist etwas aufgeklart, stoppen wir aber doch noch einmal im malerischen Örtchen Luss am Loch Lomond.

Luss am Loch Lomond
Luss am Loch Lomond

Fast jeder Brite kannte in den 80er-Jahren diese Häuser: als fiktives Örtchen Glendarroch in der Soap Opera „Take the High Road“ des Senders ITV. Selbst heute spielen einige Hausnamen noch auf die Glendarroch-Episode an. Sehenswert für Touristen ist – haha! – der Tourist Shop am Ortseingang: Mehr Kitsch und Krams rund um Tartan, Heide und Whisky sind kaum denkbar.

Kurz darauf erreichen wir Glasgow, wo uns ein weiteres Mal ein Travelodge-Hotel im Empfang nimmt. Als wir das Gepäck aus dem Moorbraunen laden, halten wir das Tier erst für einen Hund, das das zutraulich zwischen den Autos herumstromert.

Parkplatzfuchs
Zahmer Parkplatzfuchs

Es ist ein zahmer Fuchs. Wie wir später erfahren, sind die schlauen Rotröcke als Kulturfolger längst ein vertrauter Anblick in – nicht nur dieser – Großstadt. Wenn sie nicht gerade von neugierigen Menschen gefüttert werden, finden sie genug zu Essen in Mülltonnen.

Am nächsten Tag besuchen wir meinen Bloggerfreund Kurt und seine Freundin Grace. Beide sehe ich zum ersten Mal, nachdem wir diverse Mails gewechselt und miteinander telefoniert hatten. Kurt, der aus Aachen nach Glasgow ausgewandert ist, schreibt Geschichten aus seinem bewegten Leben in den Leserblogs von Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten. Wir verstehen uns auf Anhieb.

Mit einem dicken Paket Reisproviant von Grace machen wir uns schließlich auf den über 600 Kilometer langen Weg nach Salisbury zu meinem Onkel Andy. Unterwegs erhaschen wir eine Prise britischen Nummernschildhumor.

M5 Eye
Ist es der CIA? Ist es der MI5? Nein, es ist das M5 Eye.
Gor6e
Ist es Gor5e? Oder Gor7e? Nein, es muss wohl Gor6e sein.

Am Abend treffen wir bei Andy und seiner Frau Pauline in Südengland ein. Zum ersten Mal sehe ich sein wunderhübsches Anwesen, genannt Bishop’s House („I guess a Mister Bishop used to live here“).

Bishop's House
Bishop’s House

Freitag, 28. August 2009, elfter Tag. Und weil wir schon mal in der Gegend sind, machen wir noch einen Besuch bei Englands berühmtesten vorzeitlichen Monument überhaupt: Stonehenge.

Stonehenge
Das ewige Rätsel Stonehenge: Wie konnten die Menschen vor so vielen Tausend Jahren solch riesige Steinblöcke ohne technische Hilfsmittel über solch gigantische Entfernungen herbeischaffen? [Antwort: Peitschen]
Diese Klötzchensammlung vorzustellen, spare ich mir jetzt einmal.

Von dort aus ist es nur ein Katzensprung von nicht einmal 40 Kilometern nach Southampton, wo meine Freundin Kerstin mit ihrem Mann James wohnt. Kerstin hat es nach Journalistikstudium in Leipzig und Volontariat bei der Neuen Westfälischen in Bielefeld als Pressesprecherin zur Polizei in die südenglische Hafenstadt verschlagen – eine erfrischend ungewöhnliche Journalistenkarriere also.

Samstag, 29. August 2009, zwölfter Tag. Nach einem Bummel durch die Innenstadt springen wir ins Auto. Die Schlussetappe: 150 Meilen bis Dover, davon ein Stück über den Londoner Ring. Doch wir kommen gut durch und sind diesmal mit einem beruhigenden Zeitpuffer auf der Fähre.

Und das war sie, die dritte Schottlandtour des Moorbraunen. An Entfernungen waren es laut Google Maps von Aachen nach Durness gut 1700 Kilometer und insgesamt bei der Rückkehr in Aachen mindestens 4026 Kilometer. Inklusive aller Umwege tippe ich auf etwa 4200 Kilometer in zwölf Tagen. Der Benz hat’s klaglos mitgemacht, wobei die Verbräuche auf den einsamen schottischen Landstraßen teilweise bei 6,5 Litern pendelten – immerhin mit zwei Personen und vollem Gepäck an Bord. Die Reichweite pro Tankfüllung überschritt dabei die 1000er-Marke. Ein 240 D mag nicht das stärkste und schnellste Reisemobil sein, aber er hat definitiv seine Vorteile.

Und es war Sommer

Nach dem trüben Thema im Beitrag vorher endlich mal wieder etwas zum Thema Autos. Benze. Altmercedesse. W123. Diesel. Coupés. Dieselcoupés. Moorbraune Dieselcoupés!

Ein Exemplar dieser Gattung, in Aachen beheimatet, erfreut sich seit ein paar Tagen nigelnagelneuer Plaketten auf den Nummernschildern. Die Oxidationen an den Schwellerspitzen und am Boden unterm Fahrersitz wurden als minderschwere Fälle zur Bewährung ausgesetzt.

So darf mich das Coupé mit é ungestört durch seine hoffentlich letzte reguläre TÜV-Periode schaukeln – 2011 steht die Schlacht ums H-Kennzeichen an.

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Wie unschuldig er da steht auf dem sonnendurchglühten Firmenparkplatz. Dabei könnte man auf dem Armaturenbrett Spiegeleier brutzeln. Wäre er wirklich aus Schokolade, wie es die Farbe glauben lässt, wäre da längst nur noch eine Pfütze.

Wie gut, dass mein Spätdienst mindestens bis 22.30 Uhr geht.

Ornbau 2009

Ach, Ornbau. Auch wenn ich im zweiten Jahr nicht mehr ganz so restlos erschlagen war von der schieren Wucht des Erlebten wie 2008, ein Erlebnis war es auch dieses Mal.

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Merken muss ich mir allerdings für 2010, dass man besser um 16 Uhr ankommen, als von zu Hause abfahren sollte.

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Sonst ist nämlich schon alles voll auf der Wiese…

7810_Wiese-240CD

…auf der der Moorbraune dann aber doch noch sein Plätzchen fand. Sogar das Mammutzelt vom Sebastian – im Hintergrund zu sehen – ließ sich noch zwischen einem Wohnwagen und einer runtergerockten Pagode (O-Ton Kaype) unterbringen. Wenn auch zwischen dem Eingang des Leinwand-Eigenheims und der Seitenwand des Caravans nur etwa acht Zentimeter Platz waren.

Nach der Ankunft tat ich das, was ich letztes Jahr schon tat: Zur nächsten Waschanlage fahren und anschließend einige etwas ausgeblichene Lackpartien des Coupés mit é zu schokoladigem Strahlen polieren. Irgendwie kommt Ornabu jedes Jahr so plötzlich, dass dazu vorher keine Zeit mehr ist.

Jetzt aber auf, zu einem Rundgang!

Ornbau 2009 stand unter dem Zeichen des fünfzigjährigen Geburtstags der Heckflosse. Das Exemplar am Ortseingang sah allerdings so aus, als wäre es direkt aus dem Jahr 1959 nach heute und dann wieder zurückgefahren.

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Eine Leiche aus Portugal – in jeder Hinsicht.

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Den Portugiesen sagt man ja einen gewissen Hang zur Melancholie nach. Wäre ich ein Autorestaurateur von der Westkante der iberischen Halbinsel, wäre Trübsinn noch die mildeste meiner Auto-Emotionen.

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Nehmen und direktemang ab ins Museum damit. Meine Meinung. Gut, dass es nicht geregnet hat.

7836_Flossenhimmel

Nein, da reckten sich doch weitaus schönere Flossen in den fränkischen Himmel.

7802_Flossenrot

Diese hier hatte es mir mit ihrem betörenden Rotton angetan.

7798_Spiegelgruen

Wobei auch ein sattes Grün entzücken kann. Agave nennt sich das hier wohl. Auf dem besten Weg, in Sachen Exclusivität in moorbraune Sphären vorzustoßen (und um die Frage gleich zu beantworten: Nein, ein zweiter Benz in Farbcode 479 war auch dieses Jahr nicht am Start).

7816_Rennstricher

Ansonsten habe ich es mir geschenkt, wieder jedes halbwegs hübsche Fahrzeug abzulichten – zumal mir geschätzte 90 Prozent der Wagen eh noch vom letzten Jahr her bekannt vorkamen. Einige besonders ausgefallene Exemplare sollten allerdings nicht unabgelichtet bleiben.

7823_190-Cabrio

So wie dieses formal nicht ungelungene (sind doppelte Verneinungen nicht einfach unnegativ?) 190er-Cabrio. Gut, die mysteriösen Lackblasen unter den Türsicken darf man sich lieber nicht genauer angucken…

7846_220Diesel

Einen Blick wert waren dagegen die vielen Schilder und Embleme an den Exponaten, wie dieses seltene 220_Diesel-Schild, das angeblich in Großbritannien üblich war.

7841_Schrottpraemie

Stilvoller Aufkleber zur Abwrackprämie im Achtziger-Jahre-Look.

7847_Hoeraufmutti

Hätte ich nur auf Mutti gehört, damals. Was sie gesagt hat? Keine Ahnung, hab ja nicht zugehört.

7821_Energiesparer

W126 mit übertriebenem Hang zur Bescheidenheit. Immerhin: 190E, nicht 190 Vergaser.

7848_Kofferliegen

Auf der Wiese machen sich mittlerweile immer mehr Plastikbenze der Generationen W124 und W201 breit. Was die immer selbe Diskussion anfeuert, was denn nun der letzte wirklich echte Mercedes war. Die mehrheitsfähige Lösung verschiebt sich vermutlich jedes Jahr ein Stück weit nach hinten auf der Zeitachse. Die Frage, in welchem Modell man bequemer liegt, dürfte dagegen etwas einfacher zu klären sein.

7834_Leichenhimmel

Eins ist mal sicher: Als Leiche würde man lieber hier aufgebahrt liegen, als im portugiesischen Todesmobil oben. Außerdem können sich hier die Trauergäste während der Fahrt gut an den Griffstangen festhalten.

7849_Tuerleiche1

Was fällt uns an diesem Verblichenenveteran auf? Linke Seite…

7850_Tuerleiche2

…rechte Seite? Eigentlich nichts – haben nicht die meisten Autos vier Türen?

7835_Hand

Eine weitere Variation zum Thema Tür und Tod.

7851_20Prozent

Aber dass Mercedesfahrer Humor haben, müssen sie natürlich an allen Ecken und Enden beweisen. Man lese den aufgeklebten kleinen Zusatz (die Bilder lassen sich übrigens großklicken).

7815_Einkaufstrio

Überhaupt, der Flohmarkt. Was gab es nicht alles wieder zu Bestaunen und zu Ergattern.

7781_Klorollen

Ich gebe zu: Die schönsten Klorollenhäkelmützchen der Welt haben mich eine Sekunde lang gereizt. Waren nur die falschen Autochen drauf.

Ich hatte dann freilich mein ganz persönliches Schnäppchenjägererlebnis. Und davon will ich nun berichten.

Denn es begab sich zu Ornbau Anno Domini MMVIII (das war letztes Jahr, für die, die es mit römischen Zahlen nicht so haben), dass ich stand am Stand eines Teppichhändlers Teilehökers und ein Teil einen Teppich in der Hand hielt. Es war eine paßgenaue Fahrerfußraummatte für den W123, cremebeige, Zweitserienschlinge, mit originaler Passformunterschäumung. Hundert Gülden-Silberlinge verlangte der Händler dafür. Mit mir hadernd, wog ich das originalverpackte Stück synthetischen Bodenbelags in meinen Händen: Hatte ich nicht gerade erst ein vielfaches der geforderten Summe für Gummidichtungen und andere Kleinodien ausgegeben? Nein!, sprach ich schließlich zu mir selbst. Einmal muss es gut sein mit dem Geldverprassen! Schweren Herzens legte ich das verhüllte Utensil zurück an seinen Platz und warf dem Händler ein hastiges Lebewohl hin.

Doch kaum war ein Stündelein vergangen, da reute mich mein vorschnelles Tun. Du Tor!, schalt ich mich: Würde ich je im Leben wieder an einen originalverpackten Fahrerfußraumteppich für den W123, cremebeige, Zweitserienschlinge kommen? Flugs raffte ich meine Gewänder und eilte zurück zum Tisch des Händlers, doch siehe! Längst hatte er seine Zelte abgebrochen und war von hinnen gezogen. Betrübt ließ ich den Kopf hängen: Solch eine Gelegenheit, dessen war ich gewiss, würde nie wieder kommen.

Doch was tat das Schicksal? Es verschaffte mir ein Deschawüh. Denn als ich am Samstag, ein Jahr darauf, auf dem Flohmarkt am Ortseingang um eine Straßenecke bog, stand ein Teilemensch an derselben Stelle, an der im vergangenen Jahr der Teppichmann stund. Und auf dem Boden lag ein originalverpackter Fahrerfußraumteppich für den W123, immer noch cremebeige, immer noch in Zweitsellerieschlinge.

7808_Teppich

Ich hab sogar noch zehn Euro Rabatt rausgeschunden. Jetzt aber schnell den dunkelbraunen Fußabstreifer draufgelegt, damit man nichts mehr von der beige Beauty sieht!

7874_Laster

Ornbau ist schon ein Phänomen. Die lockere Stimmung, das bunte Programm, die vielen lustigen Einfälle und Ideen – an der auf die Seite gelegten Flosse im Unterbodenworkshop war sogar der Stern auf der Kühlermaske abgekippt – sind einfach wunderbar. Auch wenn man nicht mehr ganz so erschlagen ist wie beim ersten Mal.

Zum Schluss noch ein Blick auf einen anderen Oldie, der einsam am Rande der „freien Wiese“ stand.

7843_Saabhaenger

…und erst der Aufkleber vom Schweden-TÜV im Fenster!

7845_Saabschild

Auch in Skandinavien haben sie eigenwillige Autos gebaut. Damals, als Volvo noch nicht zu Ford und Saab noch nicht zu General Motors gehörte.

Was für eigenwillige Mercedesse man dagegen in England zurechtgeschweißt hat, davon erzähle ich im nächsten Beitrag. Kann allerdings ein, zwei Tage dauern, denn der Verfasser dieser Zeilen hat derzeit kein funktionierendes DSL daheim.

Scheunenfund

Es als Gewinn an Lebensqualität zu empfinden, vor jedem Anlassen des Autos zehn Gedenksekunden für Rudolf Diesel einzulegen, dürfte vielen Menschen schwer zu vermitteln sein. Der Verfasser dieser Zeilen gehört zur kleinen Gruppe der Verrückten, denen das gelingt.

38_NachScheunenPause2009_10

Wir sind wieder da-haaa. Nach sechs Monaten Winterpause in Bauers Scheune. Und genau danach sah das moorbraunste Dieselcoupé aller Zeiten auch aus, als es gestern Abend ans Tageslicht rollte. Verstaubt, verdreckt, versifft – innen wie außen.

Aber angesprungen auf den ersten Schlüsselwink. Wie jedes Jahr. Wird schon wieder, auch 2009.

Zwischendurch: Neues vom Straßenrand (4)

Wir unterbrechen das Baskenblog für eine aktuelle Meldung.

Sport! Sport ist ja das Nonplusultra überhaupt. Wer Sport treibt, tut nicht nur seinen Muskeln Gutes, sondern labt Körper wie Geist. Sport ist Balsam für die Seele, Sport fördert Durchblutung, reinigt die Gefäße, steigert das Wohlbefinden. Und kann auch gut sein für’s Portemonnaie, aber das weiß ich erst seit heute Morgen.

Wäre ich gestern nämlich noch nach der Arbeit zum Joggen gegangen, wie ich es mir vor dem Feierabend fest vorgenommen hatte, dann wäre ich heute Nachmittag noch um rund 200 Euro reicher. Weil ich noch ein paar Runden auf der Uni-Finnbahn drehen wollte, parkte ich mein treues Gefährt nach Dienstschluss schräg gegenüber der Wohnung, vor einem Altenheim einer Seniorenresidenz. Dort ist zwar Halteverbot, aber nur vormittags von 7 bis 14 Uhr. Dann ging ich kurz ins Haus, um mich umzuziehen.

Hätt ich nur, wär ich doch.

Aber irgendwie bin ich hängengeblieben, anderes war zu erledigen, dann war der Hunger doch zu groß – und da voller Bauch nicht gerne joggt, blieb es am Ende beim festen Vorsatz „morgen aber wirklich“.

Das dicke Ende kam heute früh. Vor dem Seniorendings ist nämlich eine Ladezone, und die wollte man am Vormittag bestimmungsgemäß nutzen. So kam es, dass ich zum ersten Mal in 15 Jahren, die sich das moorbraune Mobil in meinem Besitz befindet, vor einem leeren Parkplatz stand.

Abgeschleppt.

abgeschleppt

Ein netter Kollege brachte mich zum Gelände, wo die verhafteten Fahrzeuge aus Aachen in Sicherungsverwahrung hinter Gittern festgehalten werden. 129 Euro durfte ich beim freundlichen Abschleppunternehmen löhnen, und das Autochen war wieder mein. Die Stadt wird, so kündigte man es an, wohl nochmal 70 Euro von mir haben wollen. Viel Geld für einmal Nichtjoggen. Das Demütigendste an so einem Erlebnis ist, dass man sich über niemanden wirklich ärgern kann als über sich selbst.

Professionell sind die Jungs schon, das muss man zugeben (wenn sie die Karre auch wenigstens mal durch die Waschanlage hätten ziehen können für das Geld). Während ich den Braunen vom Hof bugsierte, kam der Schleppi schon mit dem nächsten Opfer am Haken: Honda Civic, rückwärts gezogen, mit den Hinterrädern auf einer Art Hubgabel. Beeindruckt hat mich, wie der Fahrer die Fuhre rückwärts, die ungelenkten Vorderräder voran, in eine Parklücke geschoben hat.

In New York war ich dagegen mal Zeuge, wie ein vollverspoilerter Mazda-Sportwagen abgeschleppt wurde. Da haben sie ganz stumpf zwei Haken unten an der Front befestigt, und als sie die Kiste angehoben haben, ging der Frontspoiler an den entsprechenden Stellen zu Bruch.

Das war also der zweite Akt meines Einbürgerungsverfahrens. Teil 1 war mit 15 Euro deutlich billiger.

Vorsatz für den Herbst: Mehr Sport treiben. Unbedingt. Schon aus finanziellem Interesse. Denn merke: Ein volles Konto ist für das seelische Wohlbefinden mindestens doppelt so gut wie für den Körper ein ganzer Tag auf dem Sportplatz.