Passanten

Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, F5.6, 1/125s, ISO 160
Sony A7II mit Rollei Carl Zeiss Planar 2.8 85, F5.6, 1/125s, ISO 160

Ganz schön was los an diesem lauen Juliabend am Suermondtplatz. Angenehmerweise hat aber kaum jemand der Anwesenden Pokémons gejagt.

Im Elisengarten

Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/800s, ISO 100
Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/800s, ISO 100

Ein weiterer meiner Lieblingsplätze in Aachen ist der Elisengarten. Sobald es Frühling wird, gibt es hier eigentlich immer etwas Neues zu sehen für den, der sich ein paar Augenblicke lang darauf einlässt. Vom emsigen Bienchen bis zum tranigen Studenten, von der vorwitzigen Turdus merula (Amsel) bis zum aufdringlichen Hamsemaneuro (Zausel). Manchmal glitzert noch das Nass des gesunden Öcher Landregens auf dem frisch gepflanzten Frühsommergrün, manchmal rettet der Autor dieser Zeilen seine Kamera vor eben jenem Landregen ins müffelnde Trocken des Elisenbrunnenpavillons.

Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/1200s, ISO 1250
Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, 1/1200s, ISO 1250

Alleine ist man jedenfalls nie im Elisengarten. Oben posieren Touristen am Brunnen des Geldes für ein Erinnerungsfoto, auf den Stufen in der Wiese lungert hängt die perspektivlose Jugend herum, links und rechts schleppen shoppende Besucher ihre Einkaufstüten von der Adalbertstraße in die Altstadt und zurück, während auf der Terrasse des Cafés die Besucher dem Gewusel zuschauen.

Der Elisengarten ist, da ich meist von Osten her in die Innenstadt komme, für mich so eine Art Vorgarten zum Herzen der Stadt. Dahinter liegen Dom und Katschhof, die Kneipen am Hof, der Rathausmarkt und das Pontviertel. Man muss jedesmal dran vorbei oder durch und kann ein bisschen Grün in sich aufsagen.

Ein schöner Vorgarten – ich freue mich schon auf den nächsten Besuch. Rasenmähen muss ich ja nicht.

Wasserspeier

Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 2.8 200, ca. F11, 1/80s, ISO 125
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Sonnar 2.8 200, ca. F11, 1/80s, ISO 125

Kann man den Aachener Dom eigentlich zu oft fotografieren, fragte ich mich selbst, als ich das ofenrohrgroße und wagenheberschwere Carl Zeiss Jena Sonnar 2.8 200 (Gewicht: 1,2 Kilogramm, Filterdurchmesser 77 Millimeter!) zu seinem ersten Außeneinsatz auf das Stativ wuchtete. Schließlich war es nicht ganz das erste Mal, dass ich Aachens Wahrzeichen in den Sucher nahm.

Und die Antwort, während die letzten Strahlen der Abendsonne eben noch über die Dächer lugten und die Wasserspeier am Dach des gotischen Chores in ein warmes Licht tauchten, lautet natürlich: Nein, auf keinen Fall. Weil jeder Tag anders ist, weil kein Moment wiederholbar ist, weil man kein Foto zweimal schießen kann. Nicht einmal an etwas 1200 Jahre Alten wie dem Aachener Dom.

Im Medienhafen

Sony A7II mit Canon FD 2.8 20, f11, 30s, ISO 50
Sony A7II mit Canon FD 2.8 20, f11, 30s, ISO 50

Es ist ja nicht so, dass ich noch nie in Düsseldorf gewesen wäre. Oder dort noch keine angenehmen Zeiten verbracht hätte. Im Gegenteil. Der Blick vom Fernsehturm ist toll. Und das Meilenwerk die Classic Remise, dieses Oldtimerverkaufsmuseumsding im alten Ringlokschuppen erstmal. Die Rheinuferpromenade ist so dermaßen viel schöner als das, was Köln mit seinem Stück Rhein veranstaltet bzw. dranbetoniert hat. Und an das rotierende Quallenaquarium im Aquazoo erinnere ich mich auch noch mit Faszination.

Sony A7II mit Canon FD 2.8 200, ca. F5.6, 1/320s, ISO 100
Sony A7II mit Canon FD 2.8 200, ca. F5.6, 1/320s, ISO 100

Und doch. Denk ich an Düsseldorf, entsteht da nicht sofort ein zusammenhängendes Stadtbild vor dem geistigen Auge, verbunden mit dem Wunsch: Ach ja, da und da möchtest du gerne mal wieder langbummeln. Dafür haben die Stadtplaner allerorts zu viel leeren Raum zwischen den Hausreihen der Prachtboulevards gelassen, der offensichtlich mit Imposanz gefüllt werden sollte – der in mir aber leider nur das Gefühl von Kälte und Abweisung erzeugt. Die allzu breite und allzu teure Kö zum Beispiel ist für mich das Gegenstück zur wuseligen Kölner Schildergasse. Köln hat das Herz, Düsseldorf das Geld. Oder?

Sony A7II mit Canon FD 2.8 20, 1/13s, ISO 1250
Sony A7II mit Canon FD 2.8 20, 1/13s, ISO 1250

Eigentlich ist das schade, denn liebe Menschen haben sich schon viel Mühe gegeben, mir die Vorzüge der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt nahezubringen. Und punktuell – Altstadt, Meilenwerk, Kunstakademie, nicht zu vergessen die großartige japanische Nudelsuppenkultur – ist das ja auch durchaus gelungen.

Sony A7II mit Carl Zeiss Planar 1.4 50 C/Y, ca. F8, 1/15s, ISO 100
Sony A7II mit Carl Zeiss Planar 1.4 50 C/Y, ca. F8, 1/15s, ISO 100

Und dann stehe ich an diesem lauen Juliabend mit einigen anderen Freizeitfotografen am Medienhafen. Medienhafen, alleine das Wort schon. Wir können auch Silicon Valley, wir machen jetzt was mit Medien! Schaut mal da, ein Reklameschild vom Focus!

Sony A7II mit Carl Zeiss Planar 1.4 50 C/Y, ca. F8, 3.2s, ISO 100
Sony A7II mit Carl Zeiss Planar 1.4 50 C/Y, ca. F8, 3.2s, ISO 100

Und doch: Hier, zwischen den modernisierten alten Lagerhallen und den hypermodernen Bauten von Stararchitekten wie Frank O. Gehry, gefällt es mir auf Anhieb.

Es kann am warmen Licht der Abendsonne liegen oder an den gut gelaunten Menschen, die unter den alten Verladekränen hindurch und über die Fußgängerstege flanieren. Die in den Biergärten der Bistros zwischen UCI-Kino und dem Alten Zollhof sitzen. Oder die Mole entlangjoggen. Und über all dem ragt der Fernsehturm in den blauen Abendhimmel.

Sony A7II mit Carl Zeiss Planar 1.4 50 C/Y, ca. F5.6, 1/500s, ISO 100
Sony A7II mit Carl Zeiss Planar 1.4 50 C/Y, ca. F5.6, 1/500s, ISO 100

Es ist ein Ort, der – und das ist leider eher selten in deutschen Städten – etwas Größe atmet, etwas freien Geist und Fantasie in der Gestaltung. Wo keine einheitlichen Dachhöhen für die übliche Immergleichheit sorgen, wo sogar hier und da ein paar geschwungene Linien aus dem gesetzlichen deutschen Rechtwinkel ausbrechen, der so allgegenwärtig das Bild unserer Städte bestimmt (wer das nicht glauben mag, der fahre mal nach Frankreich).

Sony A7II mit Carl Zeiss Planar 1.4 50 C/Y, ca. F8, 20s, ISO 100
Sony A7II mit Carl Zeiss Planar 1.4 50 C/Y, ca. F8, 20s, ISO 100

Ich weiß nicht, ob das, was hier entstanden ist, allen Düsseldorfern gleich gut gefällt. Ja, es ist auch ein Stück über-hip, über-cool und über-modern geworden. Aber vermutlich wäre es sonst halt nicht: Düsseldorf.

Sony A7II mit Carl Zeiss Planar 1.4 50 C/Y, ca. F8, 20s, ISO 100
Sony A7II mit Carl Zeiss Planar 1.4 50 C/Y, ca. F8, 20s, ISO 100

Egal. Hier ist er endlich, ein Fleckchen Düsseldorf, von dem ich auch in Zukunft gelegentlich denken werde: Och, da möchtest du gerne mal wieder hin und ein bisschen bummeln.

Pflichtprogramm

Sony A7II mit Pentacon 4 200, ca. F11, 1/500s, ISO 1600
Sony A7II mit Pentacon 4 200, ca. F11, 1/500s, ISO 1600

Welche Motive muss jeder Möchtegernkamerakünstler in seinem Portfolio haben? Kuschelnde Katzenbabys. Weiße Tauben, die im Morgengrauen vor Sacré-Cœur aufflattern. Eine hübsche junge Frau in Schwarzweiß, die im Dessous auf einem Bett sitzt und lachend eine Zigarette ausdrückt in der Hand hält [edit: sowas hier]. Und: malerische Getreidehalme im Sonnenuntergang.

Gut, so ganz am Ziel ist der Möchtegernkamerakünstler hier noch nicht. Wäre er nämlich ein Profi, hätte er sich eine halbe Stunde früher in den Moorbraunen gesetzt, um nach Vetschau losgefahren, von wo man so schön in den Abendhimmel gucken kann. Dann hätte er noch Zeit gehabt, sich ein paar andere Halme als die erstbesten auszusuchen. Vielleicht hätte er sogar diesen magischen Moment zehn Minuten vorher erwischt, als die Sonne noch nicht in diese dicke Wolkenbank eingetaucht war und der ganze Himmel golden aufflammte.

Aber so sei es. Punkt im Pflichtprogramm erstmal abgehakt. Irgendwelche Damen hier, die rauchen?

Die Verpuppung

_DSC9207_korr-2-Taenzchen

Kaum ein Passant, der im Vorbeigehen nicht zögert, noch einmal genauer hinguckt, stehenbleibt und staunt. „Was ist das denn?“ – „Das ist aber neu, oder?“ – „Ach nee, guck mal, wie süß!“ – „Da hat sich aber einer Mühe gegeben!“

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Der altbekannte Puppenbrunnen: neu eingekleidet! Pferd und Reiter, Prälat und Professor, Modepüppchen und Marktfrau, Harlekin und Hahn tragen auf ihrer Bronzehaut plötzlich bunten Stoff. Liebevoll gehäkelte Mützen, Handschühchen, Schals und Troddeln zieren die Gliederarme und beweglichen Köpfe, passgenau und mit ebensoviel Humor wie Geschick angefertigt und angepasst. Die Farben leuchten regelrecht im Abendlicht – und die Figuren tragen sie sichtlich gerne, es ist ja auch schon etwas kühl geworden hier zwischen den hohen Altstadthäusern der Krämergasse, im Schatten des Doms.

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Und wie Bonifatius‘ Stirnbergs vielleicht bekanntestes Aachener Werk nach guten 40 Jahren plötzlich noch einmal wahrgenommen wird. „Nee, dieses Mützchen! Richtig in den Öcher Farben, schwarz-gelb!“ – „Ich werd nicht mehr!“ – „Sowas Schönes! Und mal was Positives, nicht was mit Zerstörung.“ Smartphones, Tablets und Spiegelreflexkameras werden gezückt, eine asiatische Touristin legt ihren Arm um das Modepüppchen (das an Aachens Textilindustrie erinnern soll) und lässt sich von ihrem Freund ablichten.

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Chapeau. Man darf wohl sagen, dass die Damen des Aachener Stricktreffs mit diesem Yarnbombing einen Volltreffer gelandet haben. Einen vielleicht nur kurzlebigen, aber um so einprägsameren.

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Denn was ist schon Dauer? Ich erinnere mich noch an die Nacht- und Nebel-Aktion an der sogenannten Oldenburger Friedenssäule. Diese schmucklose, ziemlich langweilige Marmorsäule aus der Kaiserzeit trug ursprünglich eine goldene Viktoria-Siegesgöttin, ähnlich der bekannten der „Gold-Else“ in Berlin – bis die Nazis sie 1943 für ihre eigenen, bekanntlich fruchtlosen Bemühungen um einen Sieg einschmolzen. Seitdem heißt der übriggebliebene Stumpf politisch korrekt Friedenssäule. 1986 aber stellten drei Lokalpolitiker eine aus Styropor und Goldfarbe selbstgebaute Nachbildung der Originalfigur heimlich auf die Säule. Zwar wurde sie schon nach kurzer Zeit wieder abmontiert, doch über die Aktion spricht die Stadt noch heute, nach 30 Jahren. Immer wieder wird seitdem die Wiederbelebung der inzwischen „Friedensengel“ genannten Figur diskutiert. Auch wenn daraus bislang noch nichts geworden ist: Das Bild des Goldengels von damals ist im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung hängen geblieben.

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Und nun stehen wir hier vor dem bestrickten Puppenbrunnen.

Tja, Stricken. Im Zeitalter von Facebook, 3D-Druckern und Paketdrohnen fällt mir höchstens noch Briefmarkensammeln als Hobby mit weniger Sexappeal ein. Aber – panta rhei, alles fließt – irgendwie hat diese klipp-klappernde großmütterliche Freizeitbeschäftigung es geschafft, im Guerrillamodus als Streetart auf der coolen Seite der Gesellschaft wieder ans Licht zu kommen. Ein Kompliment an Rebekka B., Kata G. und die anderen flinkfingrigen Nadelkünstlerinnen, die Aachen seinen wohl hübschesten Brunnen neu geschenkt haben. Und sei es nur für ein paar Tage. Klenkes hoch, Mädels!

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Abendgang

Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, ca. F2, 1/50s, ISO 4000, freihändig
Sony A7II mit Minolta MC 1.2 58, ca. F2, 1/50s, ISO 4000, freihändig

Einfach nach dem Parken noch mal eine Runde um den Block gehen, statt direkt nach Hause. Und schon sieht man Farben.

Testblume

Sony A7II mit Minolta MD 1.2 58, ca F2.8, 1/160S, ISO 640
Sony A7II mit Minolta MD 1.2 58, ca F2.8, 1/160S, ISO 640

„Streber!“ rief mir die nette Fotografin vom Fotostammtisch Eifel im Spaß zu, als ich vorhin beim Treffen im „Bodega“ Imgenbroich nicht widerstehen konnte – und in einer Trinkpause mit dem neuen Minolta 1.2 58mm kurz eine pollensaugende Schwebfliege auf einer Blume anvisierte. Und eigentlich hatte sie recht. Aber dieser herrlich cremige Hintergrund… wenn mein Objektiv ein Ölgemälde anfertigen möchte, wer bin ich, es davon abzuhalten?

Fest des Rosts: Auf dem Autofriedhof Neandertal

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Grün. Leuchtendes Grün, glitzerndes Grün, samtiges Grün. Grün in allen Schattierungen, in allen Nuancen, in allen Stufen der Üppigkeit, von hellem Gelbgrün bis zu fast schwarzem Faulgrün; von modrigem Belag bis zu wild hochschießenden Pflanzen. Das Grün wächst auf Kotflügeln, auf zerrissenen Stoffdächern, auf zusammengesunkenen Sitzen. Es wuchert aus klaffend offenen Radhäusern, es fällt, gefiltert durch das Blätterdach der Bäume, auf verblichenen Lack in einstmals leuchtenden Farben. Einstmals, das heißt: vor 66 Jahren, also 1950 – als die 50 Autos gebaut wurden, die her allmählich ihrem Zerfall entgegendämmern.

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Es ist still auf dem Autofriedhof Neandertal. Kein Ort wie irgendein anderer, schon gar kein Autofriedhof wie irgendein anderer. „Autoskulpturenpark“ nannte jemand dieses einmalige Kunstprojekt des – laut Spiegel-Online – Düsseldorfer Modehändlers, Autoverkäufers und Rennfahrers Michael Fröhlich. Zu seinem 50. Geburtstag schenkte er sich selbst 50 Oldtimer, Baujahr 1950, vom Einfach-Mobil Citroên 2CV bis zum königlichen Rolls Royce Silver Wraith.

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Und: Überließ sie sich selbst. Vor 16 Jahren war das. Seitdem haben Oxidation und Verfallsprozesse aller Art ihr Werk getan. Da steht nun der Jaguar im Wert von 120.000 Euro neben dem Porsche 356. Der Käfer neben dem Mercedes, der US-Straßenkreuzer neben dem englischen Roadster, der mächtige Russe neben dem fragilen Franzosen. Dazwischen Motorräder, Roller, Fahrräder, sogar Flugzeuge.

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„Friedhof der Fünfziger“ nannte der Spiegel diese Ansammlung zerbröselnden Blechs. Ein besserer Name ist auch mir nicht eingefallen. Da springt die Chromleiste ab, da ist der Rückspiegel blind geworden, da platzt der Lack großblättrig vom Blech ab – oder ist es schon das Blech selbst, das sich da vom Rest des einstigen Stolzes der Landstraße abrollt?

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Doch nicht einmal die Polizei, deren Gewerkschaftsaufkleber hinter der altersmilchig gewordenen Windschutzscheibe gerade noch zu erkennen ist, kann hier helfen.

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Man könnte, wenn man ein Petrolhead ist und das Herz für die verchromten Schönheiten vergangener Jahrzehnte schlägt, das Weinen bekommen beim Anblick dieses langsamen Vergehens so schöner und seltener Gefährte. Dieser wunderliche Zweitürer auf drei Rädern da, muss der wirklich sterben? Kann man da nicht noch etwas machen?

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Nein, man kann nicht. Die Natur holt sie sich zurück, den protzigen Luxusschlitten wie das klapprige Nachkriegs-Notmobil, den bunten Hippie-Bus wie den Trabant, aus dem ein Baum wächst. Viele Fahrzeuge sind kunstvoll mit Seilen in Schräglage aufgehängt, so dass die Schwerkraft der Zeit beim Brechen von Rahmen und Versteifungen noch unter die Arme greifen kann. Für die Karosserien, die hier auf den Streckbänken liegen und hängen, gibt es nur einen Weg: nach unten, abwärts ins Moos und zu den herabgefallenen Blättern, zwischen die Gräser und Sträuche, die ihnen an den Flanken entgegenwachsen.

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Dem Betrachter bleibt beim Gang über das mit skurrilen Details ausstaffierte Gelände nur, die stille Würde zu bewundern, mit der die Exponate ihrem Ende entgegendämmern. Und er bemerkt die eine oder andere Einzelheit, die an die ungezählten, in früheren Leben auf den Landstraßen Europas zurückgelegten Kilometer erinnert. So scheint dieser Roller einmal in der Hauptstadt unterwegs gewesen zu sein – ganz sicher, als sie noch zweigeteilt war. Er wird kaum dorthin zurückkehren, um durch den Teil Berlins zu knattern, der ihm damals versperrt war.

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Es gibt viel zu sehen. Drei Stunden lang streifen ich und drei andere Fotografen – wir haben den Besuchstermin telefonisch vereinbart und brav den Eintritt für das Privatgelände bezahlt – zwischen den Bäumen herum, stecken die Beine der Stative zwischen Baumwurzeln, leuchten dunkle Fahrzeugpartien mit Taschenlampen an, suchen nach perfekten Aufnahmewinkeln und Brennweiten.

_DSC8165-Urinal

Und grinsen über die vielen schrägen Einfälle des Besitzers, etwa die mit Graffiti und Sanitärartikeln verzierte Betonmauer, die samt IFA-Cabrio aus der DDR an die deutsche Teilung erinnern soll.

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_DSC8175-Wolga

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Schon halb vom Hügel verschlungen zeigt sich dieser Moskwitsch. Oder kriecht er aus der Erde heraus wie ein Zombie?

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Wer seinen Frieden damit gemacht hat, dass hier einzigartige Werte verrotten, kann den Anblick dieser Rostkarrossen sogar genießen. Und über die vielen verrückten Einfälle des Gestalters lachen, wie die Puppen von Queen Elizabeth und Prince Charles, die im spinnwebenüberzogenen Rolls mit der Aufschrift „Fuckingham Palace Shuttle Service“ auf dem Weg zur nächsten royalen Party zu sein scheinen.

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Unglaublich, wie schnell die Zeit zwischen den morschen Boliden vergeht. Plötzlich fallen Tropfen aus dem Himmel – und uns wird klar, dass wir angesichts der Wettervorhersage großes Glück gehabt hatten. Hätte es nicht den ganzen Tag regnen sollen, hat es das nicht auch schon getan auf der Hinfahrt, kurz vor Düsseldorf? Die geschützte Tallage hat uns offenbar den Fotoausflug gerettet. Doch dann ist es vorbei mit Stille und Romantik. Schnell noch zwei letzte Bilder in die Runde gemacht, dann verlassen wir das Wäldchen und suchen Schutz im Ausflugsrestaurant ein Stück weiter unten im Tal.

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Während draußen ein Platzregen auf den Asphalt des Besucherparkplatzes prasselt, lassen wir in original bergisch-rustikaleichenem Kaffeetafelambiente der 70er-Jahre die Eindrücke noch einmal Revue passieren. Und unterziehen die entstandenen Bilder auf einem Tablet einer ersten Betrachtung. Bei dem Bild hier hättest du näher ranzoomen können, dafür wäre hier eine kleinere Blende gut gewesen.

Am Liebsten würde jeder von uns wohl die Kamera schnappen, noch einmal den Berg hochstapfen und noch eine zweite Runde drehen – zwischen den fast 70 Jahre alten Zombies aus Blech, Rost und Grün. Doch für heute soll es genug sein: Wo vor Jahrmillionen die Vorfahren des modernen Menschen durch den Wald liefen, haben an diesem Abend 50 seiner angeblich besten Freunde wieder ihre letzte Ruhe.