Venncapismus

Karneval ist für Aachener – und Aachener Journalisten – sowas wie der heimlich-unheimliche Höhepunkt des Jahres. Er bedeutet Dauereinsatz, für die einen im Zoch und an der Kamellefront, für die anderen eine Flut Hunderter und Aberhunderter Bilder von Feiernden aus der ganzen Region.

Wer nach Fettdonnerstag, Karnevalssonntag und Rosenmontag vom akustischen und optischen Trubels mürbe geschossen ist, sehnt sich oft nach Ruhe und Einsamkeit. Und wo könnte man die im Dreiländereck besser finden als im Venn?

Vom Parkplatz Nahtsief aus, dem perfekten Ausgangspunkt für einen Gang durchs Moor, zog es mich diesmal nach Norden, wo es zwar weniger Teiche, aber etwas mehr landschaftliche Abwechslung gibt.

Von der ist allerdings an einem Schneetag deutlich weniger zu sehen als etwa im Frühling. Immerhin, man ist offenbar nicht das einzige Wesen hier draußen.

In der Kameratasche begleitete mich wieder Familie Schacht – also das Travegon 2.8 35 als Weitwinkel, das Travelon 1.8 50 als Standardlinse, das Travenar 2.8 90 als Porträtspezialist und das Travenar 3.5 135 als Tele (fünf Euro demjenigen, der glaubhaft erklären kann, warum der bayerische Objektivhersteler Albert Schacht seine Produkte nach einem Fluss benannt hat, der durch Lübeck fließt).

Aber, tja, so richtig zusammengewachsen sind wir noch nicht, die Schachts und ich. Das 90er-Travenar streikte mit offener Blende, vermutlich war das Schmierfett in der Kälte erstarrt. Und das 135er-Travenar kämpfte mit flauem Grau beziehungsweise grauer Fläue – vermutlich sitzt eine leichte Fungus- oder Schmierschicht zwischen den Linsen.

Bei diesem Bild etwas musste ich später mit Photoshop den Kontrast ordentlich hochjazzen, damit das Bild halbwegs ansehnlich wurde. Immerhin, das 50er-Travelon lieferte wieder die solide Leistung ab (etwa beim Baumstumpf oben), die mir schon beim Besuch im Schaapskooi gefallen hat, siehe dort.

Die positive Überraschung war das 35er. Obwohl sich im Netz etliche wenig begeisterte Stimmen finden (vor allem, was die M42-Version mit der eher kleinen Austrittslinse angeht), zeichnete es abgeblendet mit Stativ sehr schön scharf.

Wenn nur das Herumgefummel mit dem Stativ nicht so lange dauern würde! Verdammt, die Sonne geht schon unter.

Wo geht’s nochmal zurück? Entenpfuhl? Parking Grenzweg? Ternell?

Macht nichts – irgendwann führten die vereisten Holzstege auf einen Wirtschaftsweg, der nicht nur mich zurück in Richtung Parkplatz brachte, sondern auch in den Genuss eines feinen Blicks auf einen herrlichen Wintersonnenuntergang. Und so endete die Flucht vor dem bunten Farbenspektakel des Karnevals – in einem bunten Farbenspektakel. Glücklicherweise allerdings: in völliger Stille.

Auf neuen Wegen (Im Venn II)

83-Bueschel

Der Wind weht scharf, aber erträglich, als wir über den von Touristenfüßen plattgetretenen, überfrorenen und spiegelglatten Schnee mehr rutschen als stapfen. Hinter Baraque Michel führt der Wanderweg erst durch ein kleines Waldstück – und dann steht man schon im Venn.

95-Kraniche

Fast zwei Jahre ist es her, dass ich – allerdings ein paar Kilometer weiter, auf deutscher Seite – auf einem Spaziergang an dieser so ungewöhnlichen Landschaft trotz guter Kamera und ebensolchen Objektiven verzweifelte. Viel Himmel, viel Horizont, versprenkelte Bäume, in der Mitte der Weg. Was sollte man da fotografieren?

16-Zweige

Heute weht ein anderer Wind. Wörtlich genommen. Ein Dutzend verschiedenster Fotokurse und noch deutlich mehr Objektive später fällt die Motivwahl nun etwas leichter. Da hätte es den großen Schwarm Kraniche gar nicht gebraucht, der über uns zurück nach Norden zog.

45-Plaetschergras

Eine eigenartige Landschaft ist das Venn. Riesenhaft leer und offen wirkt es und versperrt sich gleichzeitig mit seinem sumpfigen Boden der Eroberung durch den Besucher. Nur auf geradezu homöopathisch schmalen Pfaden lässt es sich erkunden.

07-Schildweiss

Gerade einmal meterbreite Holzstege führen über die morastige Ebene. Die Warnung „Als het weer regenachtig is, zijn de houtstegen glibberig“ ist berechtigt. Wenn das Wetter dagegen eisig ist, sind die Planken nicht nur glibberig, sondern geradezu mörderisch glatt.

20-Gelaenderblick

27-Winterbaum

Schließlich führt der Weg wieder an einem Bach entlang in ein Waldstück, wo es vor lauter Bächlein regelrecht murmelt.

36-Schildrot

54-Plaetscherbach

Das Fortkommen wird immer schwieriger. Der spiegelglatte Steg bietet kaum Halt und in den Planken klaffen große Lücken.

61-Stegluecke

Das Geländer, wenn es denn eins gibt, ist höchlichst willkommen. Auch, wenn das rauhe Holz an den Handschuhen zupft.

44-Eisgelaenderl

80-Plaetscher

Motive zum Fotografieren gibt es in diesem stillen Winterwald allerdings reichlich. Ich habe zwei Objektive für die Sony A7 II in der Tasche: mein sehr geschätztes Minolta MD 3.5 35-70 mm Zoom und die jüngste Neuerwerbung, ein MD 4 75-150 mm Zoom von 1981. Beide Brennweiten ergänzen sich sehr angenehm. Und beide überzeugen mit knackiger Schärfe und angenehmem Bokeh.

67-Truemmersteg

Zugegeben, das Wechseln der Objektive auf den ebenso schmalen wie glatten Holzstegen ist kein Vergnügen. Auch reicht die Zeit heute nicht, mit Stativ und langem Hin- und Herprobieren das perfekte Bild zu komponieren. Dafür ist es auch einfach zu zugig – also muss es zügig gehen.

56-Plaetscherbaum

87-Hochsitz

Aber als uns der Weg schließlich wieder zurückführt, bin ich glücklich. Über den schönen Spaziergang – und das Gefühl, im Venn diesmal fotografisch nicht am Ende gewesen zu sein, sondern am Anfang.

86-Krummbaum