Baskenblog: San Sebastián (4). Von oben.

Sonntag, 28. September. Mein letzter Tag in der Stadt bricht an, abends möchte ich schon in Bilbao sein. Vorher aber will ich noch einmal auf den Monte Igueldo. Ich treffe mich mit Stefan, einem deutschen Studenten, den ich – natürlich – über Couchsurfing kennengelernt habe. Er ist gerade in die Stadt gezogen. Wir fahren zusammen mit der Funicula-Standseilbahn auf den Berg.

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Die Aussicht vom Palastturm ist, wenn möglich, noch grandioser als vom gegenüberliegenden Monte Urgull. Von hier aus sieht man auch besonders gut, warum die kleine Insel Santa Clara „Schildkröte“ genannt wird.

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Für unsere Augen etwas befremdlich ist der Vergnügungspark auf dem Berg. Er wirkt neben den Mauern des Burgturms etwas bizarr, hat aber offenbar eine lange Tradition.

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Ja, es sind Espressotassen da auf dem Karussel. Nein, ich weiß nicht, warum. Daneben stehen überdimensionale Pilze mit etwas vergrumpften Gesichtern.

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Die Funicula auf dem Rückweg.

Stefan empfiehlt mir noch ein Internetcafé in der Nähe. Trotz des Tourismus in der Stadt sind solche Angebote überaus dünn gesät – er hat bis jetzt nur drei oder vier entdeckt. Insgesamt scheint Spanien kein Internetland zu sein, man erledigt die Dinge offenbar lieber im direkten Kontakt. Wieviel hier nachts noch auf den Straßen los ist, habe ich ja am Vorabend gesehen. Selbst um 22 Uhr spielten noch Kinder auf den Plätzen. Es herrschte ein Trubel wie bei uns, wenn Stadtfest ist.

Ich unterhalte mich mit dem Menschen hinter der Theke des Internetcafés. Er ist Südamerikaner und mag Deutschland. Freiburg hat es ihm besondes angetan. In San Sebastián ist er nicht allzu glücklich, er kommt mit den Menschen nicht zurecht. Und die Mieten sind hoch, sehr hoch: Er zeigt mir Wohnungsanzeigen für Zwei- bis Dreizimmerwohnungen, die fast alle mehr als 1000 Euro im Monat kosten. Soviel zu meinem heimlichen Plan, mir bei Eintritt späteren Reichtums in der Gegend ein Ferienhäuschen zuzulegen. Außerdem stellen wir fest, dass wir am selben Tag Geburtstag haben: am 30. September nämlich, übermorgen.

Als ich mich verabschiedet habe und vor dem Café meine Freewind aufschließe, bekomme ich eine SMS aus Deutschland aufs Handy: Alemannia Aachen hat den FC Freiburg besiegt. Was mag mir das Schicksal damit sagen wollen?

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Eine letzte Fahrt über die Uferpromenade, um das Gepäck abzuholen. Donostiarraks sonnen sich am Strand – ganz schön freizügig. Dann ist es Zeit, mich von der Stadt zu verabschieden, wegen der ich mehr als 1300 Kilometer weit gefahren bin.

Bis Zarautz nehme ich die Autobahn, das spart Zeit und Nerven. Von da an fahre ich aber über die kleine Küstenstraße N 634.

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Eine gute Wahl. Ich hätte nicht gedacht, dass die Gegend hier so schön ist.

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Getaria. Auch hier gibt es eine Bucht mit Sandstrand, natürlich in etwas kleinerem Maßstab.

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Kutter, Klippe, Kirche.

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Eine gute Gelegenheit, vor landschaftlich schönem Hintergrund einmal die treue Begleiterin abzulichten, die mich ohne zu Mucken bis hierher getragen hat: meine Suzuki, äh, Seewind.

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Im Nachbarort Zumaia begrüßt mich Politik. Baskisch ist eine der geheimnisvollsten Sprachen der Welt, mit keiner anderen Mundart verwandt. Doch das Wort rechts auf der Kaimauer verstehe sogar ich: Selbstbestimmung.

Und ein paar Kilometer weiter, die Straße windet sich inzwischen als GI 638 weiter nach Ondarroa, wird der Baskenkonflikt plötzlich sehr lebendig. Ich gerade in eine Polizeisperre der Guardia Civil. Schwerbewaffnete Soldaten mit Sturmgewehren prüfen jedes Fahrzeug, bevor sie es weiterfahren lassen.

Kriegsspiele, denke ich. Falsch: Vor wenigen Tagen, am 21. September, ist vor der Polizeiwache in Ondarroa eine Autobombe explodiert. Sieben Menschen wurden verletzt. Ganz so friedlich, wie es aussieht, ist das Baskenland nicht.

Im Dunkeln, gegen 20 Uhr, erreiche ich Bilbao. Dort erlebe ich es zum ersten Mal, dass mich das Navi komplett im Stich lässt. Ich habe die Adresse der Jugendherberge als Ziel eingegeben. Mitten auf einer Autobahnabfahrt behauptet das Gerät, ich sei am Ziel. Mutterseelenallein stehe ich in einem menschenleeren Industriegebiet. Ich spreche kein Spanisch, die Spanier kein Englisch, es ist zum Verzweifeln. Und in der Herberge geht niemand mehr ans Telefon. Irgendwann wird die Rezeption schließen, dann habe ich ein mittleres Problem.

Fast eine Stunde lang gurke ich hilflos durch Vororte der nächtlichen Hafenstadt, bis mir jemand endlich den Weg zur Herberge zeigen kann. Sie ist höllisch schwer zu finden: Mitten in einer Baustelle, nur von einer Seite aus zu erreichen, zweigt eine schmale Straße ab, die einen Berg hinauf führt.

Gegen 21.10 Uhr betrete ich die Herberge und habe Riesenglück, dass noch jemand hinter der Theke sitzt. Kurze Zeit später ist nur noch ein Wachdienst da. Gottseidank habe ich ein Einzelzimmer.

Baskenblog: San Sebastián (3). Nachts.

Es wird langsam Abend, die Lichter gehen an. Während es in Deutschland jetzt langsam ruhig würde, fangen die Straßen hier erst richtig an, sich zu beleben. Selbst spät am Abend, gegen 22 Uhr, wird hier noch jede Menge los sein: Kinder spielen auf den Plätzen, alte und junge Menschen stehen auf den Straßen, man unterhält sich, lacht, plaudert, isst, trinkt, lebt, kurz: Es ist ein klein wenig anders als um dieselbe Uhrzeit in, sagen wir mal, Bielefeld.

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Zeit, sich auf den Heimweg zu machen. Mein Gastgeber will mich in die Welt der Pintxos einführen, wie hier die Tapas genannt werden. (Das allgegenwärtige baskische „tx“ wird „tsch“ gesprochen.)

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Vor dem Auditorio Kursaal wartet eine Menschenmenge. Es ist der letzte Tag des 56. Internationalen Filmfestivals. Später erfahre ich, dass unter anderem Antonio Banderas und Meryl Streep über den roten Teppich vor dem Eingang geschritten sein sollen. Ich warte zwar ebenfalls eine halbe Stunde lang vor dem Eingang, aber irgendwann wird es mir zu langweilig. Ich will endlich die berühmte einheimische Küche entdecken – schließlich hat Donostia-San Sebastián die höchste Dichte an Sterneköchen auf der Welt. Nirgendwo gibt es so viele Spitzenköche wie hier. Unzählige kleine private Kochclubs sorgen für erstklassiges kulinarisches Niveau.

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Das mit den Pintxos funktioniert so: Man trifft sich in der ersten Bar, zum Beispiel in der Bar Sport, trinkt dort einen Txakoli, einen leichten Weißwein, den der Ober in hohem Bogen ins Glas gießt, und nimmt sich ein, zwei Pintxos von den Tellern auf dem Tresen, ein Txistorra zum Beispiel, ein scharfes Paprikawürstchen (die länglichen auf dem nächsten Bild), oder ein paar Brocheta de Gambas mit Garnelen.

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Dann tappert man in die nächste Bar, zum Beispiel ins Munto, wo es als Spezialität Foie al la Plancha gibt, in der Pfanne gebratene gestopfte Gänseleber mit Traubensoße, oder Bolas del Mar, die aus der Tinte von Tintenfischen gemacht werden. Dazu trinkt man einen trockenen Rotwein – vielleicht einen Rioja.

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Zum Schluss geht es noch ins La Cepa, wo die Schweinehaxen von der Decke hängen und erstklassiger Jabugo serviert wird, hauchzarte Schinkenstreifen von Schweinen, die mit Korkeicheln gemästet wurden. Das Aroma ist unvergleichlich.

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Ein Teller Guindillas, Chilischoten, und Gabillas, frittierte Fleischbällchen, runden die Köstlichkeit ab.

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Wenn man dem dazu servierten roten Crianza weiter zugesprochen hat, die Pfefferschoten verlangen das, dürfte man jetzt schon ganz gut bedient sein. Zeit für den Nachhauseweg.

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San Sebastián bei Nacht ist wundervoll – etwa der Plaza de Constitución, wo auf den Balkonen der umliegenden Wohnungen noch die nummerierten Logen zu sehen sind, von denen aus früher die Stierkämpfe auf dem Platz beobachtet wurden.

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Oder die alte Kirche San Vicente Mártir. Sie überstand sogar den großen Stadtbrand vom 31. August 1813.

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Im Wasser des Urumea spiegeln sich das Hotel Cristina Maria und das Teatro Victoria Eugenia…

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…und während im Kursaal das Filmfestival seinem Höhepunkt entgegenstrebt, leuchten die Lichter der nächtlichen Stadt am Strand von La Zurriola.

San Sebastián (1): Mittendrin.

Samstag, 27. September. Am nächsten Morgen gehe ich mit meinem Gastgeber noch zu einem Frühstück ins Bistro um die Ecke. Dann ist es Zeit für einen ersten Bummel durch die Stadt.

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Die Häuser im Osten der Stadt sind klassisch und strahlen noch etwas von der Grandezza aus, die herrschte, als San Sebastián das mondänste Seebad Spaniens war.

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An der Uferpromenade liegt das moderne Veranstaltungszentrum Kursaal (heißt wirklich so!), wo gerade das 56. Internationale Filmfestival läuft.

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San Sebastián hat zwei Buchten: La Concha, „die Muschel“, und die kleinere La Zurriola, hier im Bild.

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Das Teatro Victoria Eugenia am Ufer des Flusses Urumea.

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Allgegenwärtig ist das Wappen der Stadt mit dem Segelschiff.

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Es prangt überall.

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Ob Gran Almirante Don Antiono de Olquendo seinen Kollegen Duperré aus La Rochelle kannte?

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Zugegeben, es gibt auch weniger Schönes, wie diesen mehr als 20 Stockwerke hohen Klotz mitten in der Innenstadt. Büroräume gefällig? Die Aussicht dürfte immerhin vom Feinsten sein, leider nicht Seeseite.

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Ziemlich unzufrieden gucken auch diese beiden Rüsselträger. Wahrscheinlich haben sie Kopfschmerzen.

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Roller und Motorräder sind her überaus beliebte Fortbewegungsmittel – angesichts der Parkplatznot ist das nur logisch. Seitenkoffer haben hier allerdings nur die beliebten Honda Deauvilles, bei denen sie in die Verkleidung integriert sind. Ansonsten schwört der Baske ebenso wie der Franzose auf ein mächtiges Topcase.

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Allerliebst!

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Überraschend klein für eine so große Stadt ist der Hafen.

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Auf der Mole sonnen sich die Donostiarrak, wie sich die Einwohner nach dem baskischen Namen der Stadt Donostia nennen…

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…und vor der Mole tummeln sich die Ureinwohner.

Wunderbar, der erste Eindruck. Noch schöner, als ich mir es vorgestellt habe.

Baskenblog: San Sebastián (2). Monte Urgull.

Am Hafen bieten sie eine Bootsfahrt zu unbekanntem Ziel für acht Euro an. Da mir die Fjordkreuzfahrt nach Lysebotn noch in guter Erinnerung ist, klettere ich an Bord eines betagten kleinen Ausflugsbootes. Alsbald legt der Kahn ab und verlässt den Hafen.

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Wir passieren den Kai und das Aquarium an seinem Ende. Die Mauern gehören zur alten Zitadelle auf dem Monte Urgull.

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Wir verlassen die Bucht und erreichen die offene See. Was mag das Ziel unserer wilden verwegenen Yacht sein? Robbenbänke? Walbeobachtung? Nichts dergleichen. Als die Wellen zu hoch schlagen, geht Christobal Colon in der Kapitänskajüte gemächlich wieder auf Gegenkurs.

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Hübsch ist es trotzdem. Wir blicken auf den Monte Urgull mit seiner mächtigen Jesusstatue zur Linken…

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…und die kleine Felseninsel Santa Clara am anderen Ende der La-Concha-Bucht zur Rechten.

An Bord komme ich mit einem Deutsch-Kanadier ins Gespräch. Wie sich herausstellt, ist der vor gut 40 Jahren ausgewanderte Ex-Niedersachse ebenfalls Motorradfan. Er plant, mit seiner Kawasaki KLE, ein Einzylinder wie meine Freewind, von Ontario im Osten quer durch Nordamerika an die Westküste zu fahren. Ich schwärme ihm von meiner aufgepolsterten Jungbluth-Sitzbank und dem 41-Zahn-Kettenrad vor, die lange Touren erst erträglich machen.

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Nachdem unsere Nussschale den Hafen wieder sicher erreicht hat, gucke ich auf die Uhr: Es ist gegen 18 Uhr, genug Zeit also, noch einmal auf den Urgull zu kraxeln, bevor ich meinen Gastgeber zum einem Tapas-Essen einlade.

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Von oben: Panoramablick auf den Strand von La Concha.

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Das alte Kasino, heute Rathaus. Erstaunlich, was die kleine Canon A2000 IS mit dem 6fach-Zoom noch heranholt – gestochen scharf (auch diese Bilder hier kann man übrigens groß klicken).

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Die Jesusstatue. Ein Hauch von Rio de Janeiro. In der Zitadelle ist ein kleines Museum zur Geschichte von San Sebastián untergebracht. Positiv: Alle Exponate sind zweisprachig beschriftet. Negativ: Die beiden Sprachen sind Baskisch und Spanisch. So bleibt nur der Image-Film des Stadtmarketings hängen, der eine erstaunliche Zahl an Festivals beschreibt. In San Sebastián scheint ständig irgendwas gefeiert zu werden. Kein Wunder, dass die Immobilienpreise hier so hoch sind.

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In einem der Erker der alten Festung (als Ex-Bielefelder weiß ich, dass man so etwas Scherpentiner nennt), ist heute ein Café. Sie spielen Enyas „Only Time“, als ich ankomme. Man kann das Lied ja kitschig finden, aber die Stimmung passt zu dieser stillen, entrückten Szene. Was für ein schöner Ort.

Baskenblog: La Rochelle

Freitag, 26. September (1). War da nicht was? „Das Boot“? Bedrueckende Riesenbunker, Kriegsstimmung, naechtliche Strassen und betrunkene Matrosen?

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Als ich am Morgen die Jugendherberge verlasse, koennte der Anblick nicht anders sein. Strahlend scheint – endlich! – die Sonne, alles ist hell und freundlich. Da ich gleich weiter will, drehe ich nur noch schnell mit der beladenen Maschine eine Runde durch die Stadt.

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Der Tour de la Lanterne am Strand. Eine duestere Geschichte verbindet sich allerdings auch mit ihm: 1565 wurden hier waehrend der Religionskriege 30 katholische Priester erdrosselt und vom Turm geworfen. Die Stadt blieb eine Hochburg der Protestanten, bis sie schliesslich 1628 nach langer Belagerung von Richelieu erobert wurde. Von 28.000 Einwohnern waren da bereits 23.000 verhungert.

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An Tuermen herrscht kein Mangel. Muss an den kriegerischen Ereignissen liegen. Der Tour de la Chaine und der Tour St.-Nicolas bewachen den Eingang zum Hafen.

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Im dessen Becken selber geht es friedlich zu. Neben einigen Museumsschiffen liegt eine Flotte von modernen Yachten und Katamaranen…

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…waehrend ein nicht minder prachtvolles Schiff oben auf dem Kai steht. Wahrlich, welches Auto koennte besser in diese Umgebung passen? Und dann noch ein Diesel! Wie schoen, mal wieder den Bogen zum Ausloeser dieses Blogs spannen zu koennen, dem Mercedes W123.

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La Rochelle ist ohnehin recht Kfz-freundlich. Sogar eine eigene Abzweigung gibt es fuer die lieben Zweiradfahrer, die sonst von hohen Bordsteinen ueberall vom Parken abgehalten werden.

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Ein paar Schritte dahinter blickt stolz Admiral Duperré von seinem Sockel vor der Altstadt. Als ich gerade die naechsten Zieldaten ins Navi einprogrammiere, ruft ploetzlich jemand laut hinter mir: „Sind Sie Deutscher!?“ Es ist ein Paerchen aus Berlin, mit dem ich mich beim Fruestueck nett unterhalten habe. Wir plaudern noch ein bisschen im Schatten der Baeume am Kai, dann muss jeder weiter: Ich auf die Autobahn Richtung San Sebastián, die Berliner in die Gassen der Altstadt.

[Gebloggt von unterwegs]

Baskenblog: La Rue. Aquitanien

Freitag, 26. September (2). Von La Rochelle aus fahre ich ueber Bordeaux durch Aquitanien die Atlantikkueste herunter. Da die unterwegs geschossenen Bilder relativ selbst erklaerend sind… („das ist eine Windmuehle“), lasse ich die Motive einfach mal fuer sich selbst wirken.

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Ich bin ziemlich froh, dass die am Montag um 2 Uhr nachts vor der Abreise bestellte Canon am Dienstagabend um 20 Uhr denn noch geliefert worden ist. Die Kamera ist so klein, dass sie in jede Tasche passt, und mit den Bildern kann ich – soweit sich das an den ausgenudelten Internetcafé-Monitoren beurteilen laesst – ziemlich zufrieden sein.

Baskenblog: Dune du Pyla

Freitag, 26. September (3). Als ich so gemuetlich die A 63 Richtung von Bordeaux nach Biarritz runtertuckere, faellt mir bei einem Hinweisschild „Dune du Pyla “ der Tipp von Martin 230C(80)230CE(84) aus dem W123-Forum ein: Die soll beeindruckend sein. Da ich keine Ahnung habe, was sich dahinter verbergen koennte, biege ich kurzentschlossen rechts ab und fahre nach Westen, an die Kueste.

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Suedlich des Bassin d’Arcachon liegt sie: die groesste Wanderduene Europas, auch Dune du Pilat genannt. Ich dachte, Råbjerg Mile in Daenemark waere beeindruckend gewesen, aber die hier ist noch groesser: 117 Meter hoch, einen halben Kilometer breit, mehr als zweieinhalb Kilometer lang. 87 Hektar Sand.

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Ob Besuchertreppe oder Stuetzzaeune – die Duene wandert ueber alles einfach hinweg.

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Die Aussicht von hier oben auf den Atlantik ist grandios.

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Nach dem Mont-Saint-Michel ist die Dune du Pyla die Naturattraktion mit den meisten Besuchern in Frankreich.

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Hier ist es besonders gut zu erkennen: Duene frisst Wald.

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Auf der Leeseite ist zu sehen, dass die Duene staendig in Bewegung ist. Sand rieselt den steilen Hang herunter und hinterlaesst bizarre Strukturen.

Sachen gibts. Der Tipp war jedenfalls gut und die Duene die Anfahrt wert. Danke, Martin!

[Geschrieben in Lyon, am 3. Oktober]

Baskenblog: La Rue. Nachts.

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Freitag, 26. September (4). Irgendwann wird es dunkel, und plötzlich macht die gemütliche Reise auf der Landstraße keinen großen Spaß mehr. Als in Biarritz plötzlich unmittelbar vor mir ein kleiner Motorroller mit zwei Jugendlichen drauf von links aus dem Mittelstreifengrün quer vor mein Bike rast, habe ich genug. Wäre ich ein bisschen schneller gewesen, hätten mich diese Kamikazedeppen direkt seitlich erwischt.

Maut hin oder her, die Autobahn ist einfach sicherer. Von den schönen Pyrenäen kriege ich im Dunkeln eh nichts mit.

Gegen 22 Uhr erreiche ich das Ziel meiner Reise, San Sebastián. Das erste, was mir beim Abbiegen von der Autobahn – man fährt von dort in die große Bucht hinunter, in der die Stadt liegt – auffällt, ist der extreme Seegeruch. „Riecht wie eine Fischfabrik“, schießt es mir durch den Kopf.

Knubbel, das Navi, führt mich problemlos in die richtige Straße am Ostrand der Innenstadt. Da mein Couchsurfing-Gastgeber ohnehin noch anderswo zum Essen eingeladen ist, warte ich in der kleinen Tapas-Bar gegenüber seiner Wohnung auf ihn. Ein kaltes Bier und ein leckeres Hühnchen-Käse-Tapa – was auf Baskisch Pintxo heißen – helfen über die Wartezeit hinweg.

Als er gegen 23 Uhr kommt, lerne ich gleich, wie vertrauensvoll das System dieser Bars funktioniert. Müde wie ich bin, marschiere ich nämlich schnurstracks mit ihm in die Wohnung. Erst dort fällt mir auf, dass ich glatt vergessen habe, beim Barkeeper die Rechnung zu bezahlen. Was ich beim zweiten Gang zwecks Hochschleppen der Motorradkoffer dann natürlich noch erledige.

Endlich: in San Sebastián!

[Geschrieben in Aachen, 8. Oktober. Alle folgenden Beiträge wurden nicht mehr unterwegs verfasst, sondern zu Hause.]

Baskenblog: Auf den Spuren der Jungfrau

Donnerstag, 25. September. Am naechsten Morgen nimmt sich Max noch die Zeit, mich durch die Stadt zu fuehren.

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Die Pont Royale ueber die Loire. Im Hintergrund sind schon die Tuerme der Kathedrale zu erkennen.

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Jeanne d’Arc beherrscht praktisch die gesamte Stadt. Dieses Reiter(innen)standbild zum Beispiel zeigt die Jungfrau von Orleáns. Irgendwann muss ich mal nachgoogeln, warum sie ihr Schwert so komisch mit der Klinge nach unten haelt.

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Das Hotel de Ville, das alte Rathaus.

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An der Kathedrale fallen vor allem die ungewoehnlichen Turmspitzen auf.

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Pure, beeindruckende Gotik im Inneren…

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…und natuerlich, erneut: Jeanne d’Arc (rechts, gefluegelt)…

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…deren Wohnhaus man auch besichtigen kann. Wenn man die Zeit hat. Ich habe nicht. Au revoir, Orleáns. Hast mir gut gefallen. Aber ich muss weiter, weil ich uebermorgen in San Sebastián sein will – ein CouchSurfer dort hat mir geantwortet, ich kann bei ihm uebernachten.

Unterwegs muss ich meine Plaene allerdings etwas aendern. In Bordeaux, das ich als zweite Zwischenstation angepeilt hatte, gibt es weder antwortende CouchSurfer, noch eine Jugendherberge. Die naechste liegt in La Rochelle, ein gutes Stueck weiter noerdlich an der Atlantikkueste. Aber was soll’s? Auf die paar Kilometer kommt es nicht an. An der Loire entlang fahre ich gen Suedwesten.

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Ein Moment des Innehaltens. Gelegentlich stehen am Strassenrand diese schwarzen Silhouetten. Sie bedeuten etwas genau so Duesteres, wie ihr Anblick andeutet: Hier ist ein Mensch gestorben. Ein Grund mehr, es beim Fahren vorsichtig angehen zu lassen und nicht zu rasen.

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Aber es gibt auch freundlichere Anblicke, etwa diese eigenartigen bewohnten Felshoehlen an einem kilometerlangen Felshang direkt am Flussufer.

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Zwei Dinge praegen das Loiretal. Schloesser – beziehungsweise das, was von ihnen uebrig ist – und Wein.

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Ueberall am Weg wird Direktverkauf angeboten, ueberall gibt es „Degustation“, Probierstuben. Manchmal aergert man sich als Motorradfahrer ja doch, dass man keinen groesseren Kofferraum hat.

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Aber es ist ein schoener Tag, eine schoene Landschaft und endlich kommt so etwas wie Urlaubsstimmung auf. Schliesslich bin ich zum ersten Mal nicht mehr in Eile.

Nu das Navi spielt mir einen Streich. Irgendwann muss ich an einer Departementsstrasse eine falsche Abzweigung erwischt haben, worauf das Navi sofort eine Alternativroute ausarbeitet. Die fuehrt jedoch ueber winzige Strassen uebers Land – durch menschenleere Gegend. Kommt mal eine menschliche Siedlung, sind saemtliche Tueren geschlossen und saemtliche Fenster verrammelt. Ein etwas mulmiges Gefuehl: Wenn mir hier irgendwas zustoesst, finde ich niemanden und niemand mich. Die Strassen sind so klein, dass sie auf meiner Frankreichkarte nicht mal verzeichnet sind.

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Die Tatsache, dass hier schon andere Leute gescheitert sind, macht die Sache nicht angenehmer. Und jetzt geht auch noch allmaehlich das Benzin aus… irgendwann muss doch einfach mal wieder eine groessere Stadt kommen!

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Dieses Nest ist es jedenfalls nicht. Sonnenschutzanlagen werden hier wohl nicht gebaut, aber der Name passt trotzdem – hier wird buchstaeblich das Licht ausgemacht.

Doch der Sprit reicht. Irgendwann kommt doch wieder eine zweispurige Strasse. Dazu eine offene Tankstelle, sogar mit Service. „Merci pour ouvrir“, radebreche ich die Tankwartin an, sie laechelt zurueck. Gegen 21 Uhr erreiche ich die Jugendherberge von La Rochelle.

Mein Plan, dort abends noch am Internetrechner die ersten Eindruecke zu verbloggen, scheitert an den franzoesischen Tastaturen: Alles, aber auch alles sitzt an der falschen Stelle. Das A anstelle des Q, der Punkt ist mit Shift zu erreichen, ebenso die Zahlen. Muede klicke ich mich passiv durch ein paar Webseiten und Mails, futtere dabei fades Automatensuesszeug – einen offenen Imbiss gab es nicht mehr in Gehreichweite.

Das war ein anstrengender Tag. Morgen wird noch einmal viel gefahren. Doch dann bin ich endlich da, wo ich hinwollte – in San Sebastián.

[Gebloggt von unterwegs.]

Baskenblog: Nach Orleáns

Mittwoch, 24. September. Die Fahrt beginnt eher ereignislos. Etwas gewoehnungsbeduerftig sind die Mautstellen auf den Autobahnen in Frankreich. Die Abschnitte kosten fuer mich einmal rund 7,50 und einmal 5,50 Euro.

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Gewoehnungsbeduerftig ist auch der Verkehr in Paris. Auf der Stadtautobahn staut sich alles. Zwischen den stehenden Autos (und dem anfangs ebenfalls darin stehenden Verfasser dieser Zeilen) knallen Motorrad- und Rollerfahrer hindurch, als gaebe es eine freie Spur. Meist mit eingeschaltetem Warnblinker. Selbst riesige Cruiser rasen nur wenige Zentimeter vom stehenden Blech entfernt entlang. Interessant: Jeder, der so an mir vorbeirauscht, gruesst mich – entweder mit der linken Hand oder mit einem ausgestreckten rechten Bein.

Nachdem mir klar wird, dass ich hier noch Stunden herumstehen kann (von denen ich nicht mehr viele habe), nehme ich allen Mut zusammen. Trotz Seitenkoffer – die Franzosen schwoeren verstaendlicherweise auf Topcases – tuckere ich mit zusammengebissenen Zaehnen zwischen den Kolonnen hindurch. Und siehe, es geschieht ein Wunder: Die Autos vor mir weichen aus, machen Platz, lassen mich durch. So fuehlt es sich also an, wenn man ein Rettungswagen ist. Sobald von hinten ein rasender Roller oder ein selbstmoerderisch schnelles Motorrad angezischt kommt, mache ich aber schnell Platz. Und werde stets zum Dank gegruesst.

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Ziemlich kaputt komme ich gegen 20.30 Uhr in der Stadt der Heiligen Johanna an. Zu Gast bin ich bei zwei CouchSurfern. Der Empfang ist geradezu ueberwaeltigend herzlich. Man fuettert mich mit koestlichen Muscheln, es gibt ein karibisches Getraenk mit Rum und diversen Umdrehungen, dazu eine sehr angenehme Unterhaltung und am Ende das beste Bett im Haus. Das Internet ist schon etwas Wunderbares – man kommt zu wildfremden Leuten und wird empfangen wie ein alter Freund.

[Gebloggt von unterwegs]