Neues aus dem Amt

Kfz-Stelle_75b_800Mit Behörden ist es ja wie mit lebenswichtigen Organen. Ohne sie geht es nicht. Schon klar. Aber am glücklichsten ist man doch, wenn man von ihrem Funktionieren möglichst wenig mitbekommt. Muss man sich doch einmal intensiver mit ihnen beschäftigen, ist die Frage nur: Wie unangenehm wird’s diesmal?

„Mein Verhältnis zu Behörden war nicht immer ungetrübt…“ begann vor vielen Jahren Reinhard Meys Lied vom Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars. Zu Recht konnte damals praktisch jeder Radiohörer im Lande mitträllern. Bürger und Behörde, das ist wie Frikadelle und Fahrrad, wie Wanderdüne und Webcam, das kann nicht miteinander, das passt nicht.

Wo war ich? Ach ja, auf der Kfz-Zulassungsstelle der Stadt Aachen. Ich muss vorwegschieben, dass einige der unangenehmeren Erinnerungen an meine letzte Heimat Bielefeld um die dortige Zulassungsstelle kreisen. Drei Stunden Wartezeit waren Regel, nicht Ausnahme. Meist radelte ich auf dem Weg zur Arbeit kurz dort vorbei, zog einen Wartebon, fuhr weiter ins Büro und rief alle halbe Stunde an, wieviele Dutzend Nummern noch vor mir dran waren. Ungelogen.

Wer nämlich nicht nur brav jahrein, jahraus denselben Wagen fährt, sondern sich mit einem Sommer- und einem Winterauto plus Motorrad durch’s Jahr hangelt, der kennt bei solchen Wartezeiten für jede einzelne An- und Abmeldung irgendwann jede Fliese auf dem Boden. Jedes Bild an der Wand, besonders dieses dämliche mit dem unfallzerknautschen Mercedes 300SL.

Mit entsprechend überschaubarer Vorfreude hatte ich mich im Frühjahr zum ersten Mal aufgemacht, das erste meiner Vehikel nach Aachen umzumelden. „Ich komm morgen später“, warnte ich am Tag vorher die Kollegen in der Redaktion. Am nächsten Tag piepte der Wecker denn auch extra früh. Das große Erlebnis begann damit, dass die Zulassungsstelle nicht bequem in der Stadt liegt, sondern draußen auf der grünen Wiese, was sag ich: dem grünen Hügel, am Rande des Gewerbegebiets Würselen. Was, Sie haben kein Auto, um Ihr Auto anzumelden? Dann sehen Sie mal zu, wie Sie zu uns hochkommen.

Erst einmal vor Ort allerdings: hui! Riesenparkplatz hinterm Haus, Nummer ziehen, hinsetzen und sofort dran sein. Oder auch: Gar nicht warten, Ummeldung gleich am Schnellschalter erledigen. Fünfmal war ich schon da, zuletzt am vergangenen Freitag, und nie hat es länger als zehn, fünfzehn Minuten gedauert. Beim ersten Mal hatte das zur Folge, dass ich danach nochmal nach Hause fahren und den unterbrochenen Morgenschlaf fortsetzen konnte. Ein geradezu unfassbar schneller und angenehmer Vorgang.

Hätte Reinhard Mey das geahnt. Manchmal ist es mit Behörden auch wie mit einem dieser Extra-Big-Burger im XXXL-Menü mit dreimal Fleisch und viermal Käse. Erst glaubt man, mit diesem Monster wird man nie fertig. Und eine Stunde später könnte man glatt schon wieder.

Neues aus dem Wald

Schuhe_311Im Wald, da sind die Räuber, bekamen Kinder zu Urgroßvaters Zeiten warnend eingetrichtert. Dunkel und gefährlich ist’s unter den Bäumen, kein vernünftiger Mensch wagte sich freiwillig in das Reich der Wölfe und Bären. Früher. Heute tragen die Bären niedliche Namen wie Bruno oder Knut und haben ihr Revier geräumt für andere wilde Geschöpfe. Zum Beispiel den Waldläufer. Es folgt etwas Werbung für eine Betätigung, die man aus tiefstem Herzen liebt oder hasst.

Jogger, das sind diese Irren, die ohne Ziel und ohne Zeitabnahme durch friedliche Grünanlagen hetzen. Deren Japsen die Tauben aufflattern lässt und deren verstöpselte Ohren das Klingeln der Radfahrer nie hören. Sagen die einen. Für die andere Hälfte der Menschheit ist Laufen die wunderbarste Bewegung der Welt, ideale Fettverbrennung und innere Einkehr inbegriffen.

Sie meinen, für Sie ist das nichts? Vor Jahren mal probiert und nach ein paar hundert Metern hustend und mit peinvollem Seitenstechen zusammengeklappt? Das heißt gar nichts. Passiert jedem am Anfang. Es braucht eine Weile, bis sich der Körper an das gesteigerte Bewegungstempo gewöhnt hat. Einfach mal ein paar Runden flott gewalkt, in der zweiten Stufe mal längere Laufpassagen reingeschoben, dann geht es. Dauert nicht lange.

Parkplatz_01_800Und was für ein Glück wir haben. Der Aachener Stadtwald ist nämlich die perfekte Trainingsbahn. Wir stellen unseren Wagen am Wanderpilz ab, dehnen noch ein wenig die vom Bürotag verhärtete Beinmuskulatur…

Weg_08_800…und dann los. Die ersten Schritte sind noch etwas staksig. Aber schön ist es hier: Das Sonnenlicht bricht sich in den gelben und roten Blättern. Mücken tanzen in der Luft. Abgefallenes Laub raschelt unter den Sohlen. Der anfangs schnurgerade Weg wird schnell abwechslungsreicher.

Matsch_13_800Stellenweise sogar etwas zu abwechslungsreich. Was jetzt: Mit einem kühnen Sprung über den Matsch setzen oder künstlerisch am Schlamm vorbeitänzeln? Hauptsache, nicht aus dem Rythmus geraten.

Steigung_23_800Erst recht nicht bei Steigungen wie dieser. So etwas strengt an. Aber ein Hürdenlauf macht ohne Hürden ja auch keinen Spaß.

Schatten_27_800Wer mag, kann per MP3-Player die Außenwelt auf optische Eindrücke reduzieren. Vogelzwitschern hat zwar seinen Reiz, aber wer im Innenohr Chris Rea La Passione rauchen hört, versinkt schneller in eine Art angenehme Trance. Der Körper hat sein Tempo gefunden, Glückshormone schwappen fröhlich durch die Blutbahn, und die Beine bewegen sich wie von selbst.

Fuss_28_800Allzu meditatives Dahintraben hat allerdings auch Nachteile. Wir Zweibeiner sind nämlich nicht allein hier.

Haufen_34_800Also schön die Äuglein aufgelassen und den Blick auf den Weg gerichtet. Der ist manchmal nämlich ganz schön holprig.

Steine_40_800Wer hat nur die Idee gehabt, mitten in der Wildnis Pflastersteine zu verlegen? Römer? Räuber?

Strasse_41_800Wer auch immer sie waren: Ihre Nachfahren waren gründlicher. Über die Monschauer Straße rennt man nicht so einfach, ohne nach links und rechts zu gucken. Jedenfalls nicht um diese Zeit, am frühen Abend.

Dunkel_53_800Noch eine letzte Schleife, dann geht es zurück zum Parkplatz. Die Sonne ist längst weg, die Dämmerung hat eingesetzt. Das ist der Nachteil am Herbst: Es wird inzwischen schon so früh dunkel, dass man ein Problem hat, nach Feierabend noch im Hellen seine Runde zu Ende zu bringen. Aber wir haben’s grade noch geschafft. Falls es hier doch noch einen übriggebliebenen Bären gibt.

Waren wir wirklich eine Stunde unterwegs? Ging ja fast wie von selbst. Sagten Sie nicht, das wäre nichts für Sie?

Morgen wieder?

Neues aus der Apotheke

Da liegt er vor mir, und er ist schön. Eine Frau hat ihn mir geschenkt. Ein Kugelschreiber, mit schicken Chrom-Applikationen und aus transparent-grünem Kunststoff. Die Frau war Apothekerin, und der Stift ist ein Werbegeschenk zur Eröffnung der neuen Filiale, in der ich gerade war. So hübsch er ist, er verunsichert mich.

Journalisten denken nicht oft über Kugelschreiber nach. Die Dinger kommen halt und gehen. Auf jedem zweiten Pressetermin bekommt man einen neuen in die Hand gedrückt, oft zusammen mit einem Schreibblock, der das Firmenlogo des Gesprächpartners trägt. Es sind flüchtige, allzu flüchtige Beziehungen, die wir zu unseren Schreibgeräten haben. Man arbeitet eine Weile zusammen, dann trennen sich die Wege. Im Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams gibt es einen Planeten, auf den herrenlose Kugelschreiber verschwinden. Das wäre eine Erklärung, warum es zwischen Mensch und Kuli keine Treue gibt.

Espumisan_46_800Dieser hier ist aber noch da. Er schimmert im Licht der Schreibtischlampe. Was mich ins Grübeln gebracht hat, ist der Werbeaufdruck. „Espumisan“ steht drauf, mit einem ® dahinter. Ich würde ihn ja gerne mit ins Büro nehmen, den grünen Gehilfen. Aber er wirbt offenbar für ein medizinisches Produkt. Was, wenn es etwas ist, das Patienten in der Apotheke nur im Flüsterton zu verlangen wagen? Das man an Stellen aufträgt, die nie das Licht der Sonne sehen? Etwas, das gegen Pilzbefall und Parasiten wirkt?

Was steckt hinter Espumisan®?

Wie gut, dass es Google gibt. (Ich hätte den Stift auch einfach umdrehen können, denn auf der Rückseite steht praktischerweise www.espumisan.de, aber das habe ich erst später investigativ herausgefunden.)

Nun ist die Unsicherheit vorbei. Und meine Liste der schönsten Werbesprüche aller Zeiten (angeführt von dem der Lloyd-Werft Bremerhaven, erinnern Sie sich?), ist am unteren Ende um ein Exemplar länger:

Espumisan_Screenshot_800Der Stift kommt nicht mit ins Büro.

Neues aus Belgien

Plakette_78_800Geplant war eine fröhliche kleine Tagestour durchs belgische Grenzland. Ein wenig die Umgebung kennenlernen. Über malerische Dorfplätze bummeln, irgendwo freundliche Fritten futtern, das unverhofft perfekte Sonntagswetter ausnutzen, wer weiß schließlich, ob’s dieses Jahr nochmal so einen schönen Tag gibt. Kurz: leichter Zeitvertreib stand auf dem Programm. Geendet hat es etwas anders. Und wer war schuld? Die Amerikaner.

Zuerst lief alles wie gewollt. Zum Beispiel nach Limbourg, wo nicht nur dieser Strichachter zu begucken war.

Strichachter_800

Jahrhundertelang hat es auf seinem Hügel abgeschieden vor sich hin gedämmert. Vom Ehrgeiz moderner Architekten und der Geltungssucht von Geldinstituten verschont, hat sich hier ohne einen einzigen Neubau eine Art belgisches Gegenstück zu einem toskanischen Bergdorf erhalten.

Limbourg_058_800Bezaubernd. Gut, wenn sie jetzt noch die Autos verbannen würden… aber man kann ja nicht alles haben.

Oder Verviers. Zugegeben, etwas weniger malerisch, und es war auch nicht zu verstehen, was die vier Jugendlichen in ihrem VW Polo der Welt durchs Megaphon mitteilen wollten, die da ununterbrochen um den Stadtkern kurvten. Aber was für Schilder!

Kreisel_068_800Wahre Kunst, auch wenn der Sinn genausowenig zu verstehen war wie der des Gebrülls aus dem Lautsprecher.

Angenehm auch Val Dieu.

Val-Dieu_070_800Das alte Zisterzienserkloster südwestlich von Aubel ist für einen Sonntagsausflug durchaus eine Empfehlung – leider sind ihr gestern unzählige Touristen gefolgt. Leider, weil die Mönche des 18. Jahrhunderts beim Anlegen der Parkplätze die heutige Motorisierungsdichte der Mitteleuropäer völlig falsch eingeschätzt hatten. Also wieder raus aus dem Gewühl und gut gelaunt weiter.

Und dann war da Heinri-Chapelle.

Es war kein geplanter Besuch. Ich hatte keine Ahnung, dass der größte amerikanische Soldatenfriedhof Belgiens auf dem Weg zwischen Lüttich und Aachen liegt. Plötzlich standen da links und rechts der Landstraße zwei Steinsäulen, und aus schlichter Neugier bog ich auf den Parkplatz ein.

Das Dreiländereck ist voll mit Erinnerungen an die beiden Weltkriege. Eigentlich schwebte mir vor, die bewegte Geschichte meiner neuen Heimat einmal in lockerer Form hier im Blog aufzubereiten. Nicht respektlos, aber so, dass es vielleicht auch jemand lesen mag, der jünger ist als 50 und nicht Geschichte studiert hat.

Aber ich bezweifle, dass das funktionieren würde. Ein Friedhof eignet sich nicht für lockere Formen. Schon beim Gang durch die Kolonnaden am Eingang ändert sich die Stimmung.

Henri-Bau_077_800Den Erzengel auf seiner Säule, der anschließend die Besucher begrüßt, kann man pathetisch finden. Aber man muss zugeben, dass die Architekten die Sache mit dem Pathos ziemlich gut hingekriegt haben.

Henri-Engel_080_800Spätestens das Gräberfeld dahinter macht stumm. Hier liegen knapp 8000 amerikanische Soldaten, die in der Endphase des Zweiten Weltkriegs fielen. Die meisten starben bei der so genannten Ardennenoffensive im November und Dezember 1944, dem letzten größeren deutschen Gegenangriff an der Westfront.

Henri-Kreuze2_085_8008000 Kreuze und Davidsterne aus weißem Marmor. Für alle Dienstgrade vom Gefreiten bis zum General. Reihe um Reihe. In mehr als 30 Gräbern ruhen zwei Brüder nebeneinander, einmal sogar drei. Sie alle liegen da, weil 1933, als im großen Nachbarland gewählt wurde, zu viele Leute ihr Kreuz an der falschen Stelle gemacht haben. Das Nachbarland fiel Mördern und Monstern in die Hände, und als sie besiegt waren, war Europa mit solchen Gräberfeldern übersät.

Gute 60 Jahre, nachdem Hitlers letzte Panzer hier im Schnee zum Stehen gebracht wurden, können Einwohner des großen Nachbarlandes in dieser Gegend wieder Sonntagsausflüge unternehmen. Abteien besichtigen. Fritten essen. Witze vor Verkehrsschildern machen. Und sie müssen beim Zubettgehen auch nicht fürchten, dass ihnen morgens die Gestapo die Tür eintritt, weil irgendein Nachbar sie wegen verbotenen Grenzübertritts angeschwärzt hat.

Heinri-Blick_097_800Man wird ein bisschen nachdenklich, da oben auf dem Friedhof von Henri-Chapelle. Der Blick reicht weit ins Land hinein. Ein freundliches und freies Land.

Dass es so ist, verdankt es mutigen Menschen. In der Abendsonne leuchten 8000 weiße Kreuze, die an sie erinnern.

Er hat ihn noch

Man kann es ja dämlich finden, dass ich gestern Abend auf der Lesung im Couven-Museum den von mir sehr geschätzten ZEIT-Kolumnisten Harald Martenstein gefragt habe, ob er seinen alten Mercedes noch hat. Und es nagt der Verdacht an mir, dass es tatsächlich jemand dämlich fand. Aber egal: Er hat ihn noch. Noch. Die Feinstaubgeschichte sei schuld, entgegnete Martenstein, dass das Coupé wohl demnächst endgültig in Richtung Osten rollen wird.

Seiner wechsel-, ja leidvollen Beziehung zu dem 1982er – war es ein 280CE? Ein 230CE? Wohl eher Ersteres, soviel wie an seinem Wagen kann an einem M102 eigentlich gar nicht kaputtgehen – verdankt seine Leserschaft einige wunderbare Artikel.

Die 3150 Euro, die er 2002 für den Wagen bezahlt hatte, scheinen arg überhöht gewesen zu sein – angesichts des Verschleißes an Lichtmaschinen, Batterien und Teilen, deren Namen er vergessen hat. „Andere Leute bezahlen für ein neues Auto, das null Sexappeal hat, 30000 Euro. Ich zahle die 30000 Euro nach und nach und kriege sogar noch den Sexappeal dazu“, denkt er sich. „Andererseits hat der Mercedes, wenn es so weitergeht, bald so viel gekostet wie ein neuer Phaeton mit eingebauten Brasilianerinnen.“

Anderswo erfahren wir, wie sich der Autor zu seinem Beitritt zum ADAC verhält:

Ich habe einen Traum. In dem Traum bin ich tot, und der höchste Richter fragt mich, wieso ich seit 1991 Mitglied im ADAC war. Ich sage: »Es war mir nicht bewusst. Die haben mich ohne mein Wissen in ihre Mitgliederlisten aufgenommen. Die Namen wurden von den Fahrschulen automatisch weitergeleitet. Ich habe niemals etwas unterschrieben.«

Selbst als Martenstein einen Mazda MX-5 testet, setzt er ihn in (unvorteilhaften) Kontrast zu seinem Alltagswagen mit dem Stern auf der Haube. Der Japaner kommt insgesamt nicht gut weg:

Im Innenraum des MX befindet sich das Armaturenbrett. Das Armaturenbrett besteht zu großen Teilen aus einer glänzenden schwarzen Plastikleiste, die an chinesische Schmuckdosen oder chinesische Lacktischchen erinnert. Das Gesicht spiegelt sich darin. Außerdem besitzt der MX vier Dosenhalter. Der Pilot oder die Pilotin kann also abwechselnd aus vier verschiedenen Dosengetränken trinken und sich selber dabei im Armaturenbrett beobachten. Diesen Komfort bietet möglicherweise kein anderes Automobil. Wenn die vier Dosen leer sind, legt man sie in den Kofferraum, der ist dann voll.

Nun ist das Ende offenbar nah. Muss halt jeder selbst wissen.

Ich hätte ihm was vom wunderbaren Brummeln eines Dieselmotors erzählen können, von Euro-2-Katalysatoren und Partikelfiltern. Aber das wäre am Ende noch dämlich gewesen.

Braun ist das neue Weiß 11

Gerade bekomme ich ein faszinierendes Foto zugespielt, aufgenommen vor einem Aldi-Markt im hessischen Homberg/Efze:

Braunerbenz

Ist das der Beweis? Gibt es moorbraunes Leben außerhalb von Aachen?

[Mit Dank an T. für das Bild]

Neues aus Hollywood

„Aaaaaaah“? Nein. Eher eine Art „AaAAAAaauh“ mit nur leicht angedeutetem u im Abgang. Im Englischen wird er mit „Aaauuw“ wiedergegeben. Der Wilhelmsschrei: Jeder kennt ihn, jeder hat ihn schon mal gehört. Sie auch. Wetten?

Der Wilhelmsschrei ist ein Soundeffekt, und zwar der unter Tontechnikern wohl berühmteste. Er klingt so. Die Jungs am Mischpult, vom Rampenlicht ja nicht gerade verwöhnt, machen sich in ihren stillen Kämmerlein einen Spaß draus, ihn in möglichst vielen Filmen unterzubringen.

Zum ersten Mal tauchte er 1951 im Film „Distant Drums“ auf. So sollte ein Mannes kreischen, der von einem Alligator gebissen wird – was ihn allerdings nicht allzusehr mitzunehmen scheint. Wie damals üblich, wurden die Szenen erst nachträglich im Studio vertont. Und wo der schöne Schrei schon mal in der Konserve war, wurde er in den folgenden Jahren immer und immer wieder benutzt, gerne auch mehrmals im selben Film. Seinen Namen bekam er 1953, als im Western „The Charge at Feather River“ eine Nebenfigur namens Wilhelm, vom Indianerpfeil getroffen, unter seiner Verwendung aus dem Sattel plumpste.

Über die Jahrzehnte stieg der Schrei von der klassischen B-Movie-Zutat zum unentbehrlichen Zubehör selbst aufwändig produzierter Kassenschlager auf. Vor allem der Tontechniker Ben Burtt baute ihn als eine Art persönliche Signatur ein, wo er nur konnte. Auf der bis heute 136 Titel umfassenden Wilhelm-Liste stehen Namen wie „Star Wars“, „Star Trek“ und die Parodie „Spaceballs“, diverse Folgen „Indiana Jones“, Bat- und Spider-Man, „Piraten der Karibik“, „Stirb langsam“, „Troja“ und „Das fünfte Element“. Dazu kommt eine hübsche Auswahl an Trickfilmen von den „Simpsons“ über „Toy Story“ und Wallace & Gromit’s „Jagd nach dem Riesenkaninchen“ bis zu „Shrek III“. Quentin Tarantino („Kill Bill“) bestand ebenso ausdrücklich auf dem Schrei wie Peter Jackson („Herr der Ringe“). Besonders hübscher Gag: In „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ stößt ihn jemand aus, der von einem Krokodil gebissen wird. Hollywood liebt Wilhelm, Hollywood schreit Wilhelm. Dass der Schauspieler Leonardo DiCaprio seinen zweiten Vornamen (im Ernst: Wilhelm) bekam, weil er gleich nach seiner Geburt ein entsprechendes Geräusch von sich gab, ist aber nur ein Gerücht.

Trotz des europäischen, ja deutschen Namens, kennt der Wilhelmsschrei keine Landes- oder Rassengrenzen. Schon in „Distant Drums“ dürfen ihn auch Indianer abgeben, wenn sie sich auf den Weg zum Großen Manitou machen. Logisch, dass Reptilien nicht die einzigen Viecher sind, die ihn auslösen: In „Them!“ (1954) entlocken Riesenameisen ihren zweibeinigen Gegenübern das charakteristisch modulierte „aaaáh“. In anderen Filmen dürfen Tiere sogar selbst den Wilhelm geben.

Jetzt wollen Sie ihn bestimmt mal in natura erleben, oder? Gleich mehrere Videos mit entsprechend zusammengeschnittenen Filmszenen kursieren im Netz:

Die Geschichte des Schreis ist unter anderem auf dieser (englischsprachigen) Seite und, sehr ausführlich, in diesem (englischsprachigen) Film erklärt:

Und mindestens eine Rockgruppe hat ihn als Inspiration für ein Stück benutzt:

Ich bin sicher: Wenn Sie sich durch all diese Clips geklickt haben, möchten Sie nur noch schreien. Aaaaaauuuh. Und was Sie heute Abend bis in Ihre Träume verfolgen wird, wissen wir jetzt schon.

(Ach ja: Geschrieen hat ihn 1951 vermutlich der Schauspieler Sheb Wooley.)

Braun ist das neue Weiß 10

Gefunden bei MyHammer, der Vermittlungs-Plattform für die Dienste von Handwerkern:

MyHammer_Braun190

Auktionsbeschreibung:

Hi habe nen 23 Jahre alten 190er Pornomercedes der Aufgrund seiner Werkslackierung aussieht wie 12 Kubikmeter Durchfall. Da ich mich mit dem Wemser nicht mehr auf die Strasse traue suche ich Jemanden der ihn mir Mattschwarz lackiert. Hierbei muss es sich nicht um eine hochwertige Lackierung wie bei einem Neuwagen handeln, möchte nur das er Mattschwarz wird.

Gut, DAS Braun würde ich auch lieber überlacken wollen. Trotzdem: Feigling. Mut zur Individualität, mein Junge!

[Mit Dank an O. für den Tipp]

Neues aus Birma

free_burma_03Im Web 2.0 weht heute die rote Flagge. Am Donnerstag, 4. Oktober, stellen Blogs in aller Welt rot gefärbte Banner auf ihre Seite: zum Zeichen der Solidarität mit der Demokratiebewegung in Birma.

Hinter der Aktion steht die Bewegung Free Burma*. Wer teilnehmen will, kann sich eines der Banner aus der Grafiksammlung aussuchen oder eines aus der entsprechenden Gruppe beim Bilderdienst flickr. Die große Auswahl beweist die Fantasie der Gestalter.

Burma_Schirm_800free_burma_06Burma_Blume_800Anschließend können Interessierte noch eine Petition auf der Free-Burma-Seite unterschreiben. Wer will, kann das Petitionsformular auch selber auf seiner Seite einbauen:

Free Burma! Petition WidgetName: (required)Email:

Web:

Country:


So bekannte deutsche Blogger wie Felix Schwenzel (wirres.net) und Robert Basic (basic thinking) machen mit, im Pottblog leuchtet es rot und Franziska (franziskript) unterbricht ihre Schweigepause. Dagegen hat sich Udo Vetter (lawblog) gegen den Einbau des Banners entschieden.

Die Banner-Aktion ist nicht die erste digitale Solidaritätskundgebung mit den Menschen in dem asiatischen Land. Selbst im Second Life haben sich schon Avatare zu Ketten zusammengefunden:

Menschenkette_2nd-Life_800Was es bringt? Diktator Than Shwe und seine Mit-Machthaber in Rangun werden wohl nicht allzusehr erschüttert sein über die Flut der roten Karos und sonstigen Banner. Aber sie werden sehen, dass die Welt nicht gleichgültig wegschaut, wenn nachts die Todesschwadrone Mönche jagen.


* Burma, Birma oder Myanmar? Die offizielle Bezeichnung des Landes lautet heute Union Myanmar. Der frühere Name Burma – im Deutschen Birma – stammt noch aus der Zeit, als das Land eine englische Kolonie war. Der Name Myanmar wurde 1989 von der Militärregierung ohne Mitwirkung des Volkes eingeführt und schließt nicht alle der vielen Volksgruppen des Landes ein. Er wird deshalb oft abgelehnt, auch von der bekannten Politikerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.

Mehr zur interessanten Geschichte dieses Landes, dessen Schrift die vielleicht dekorativste der Welt ist und dessen 4.000 Kilometer langes Eisenbahnnetz an keiner Stelle die Grenze berührt, findet sich wie immer in der Wikipedia.

Parkplatzbegegnung 5

Und gleich noch ein Treffen – allmählich kenne ich jeden W123-Fahrer im Großraum Aachen. Mit Franz-Josef aus Baesweiler bin ich nach Feierabend auf dem Firmenparkplatz verabredet. Passt das Taigabeige seines 200 nicht hervorragend zu Moorbraun?

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Ein Paar so appetitlich wie eine Schachtel Pralinen. Lecker. Eigentlich wäre dieser Artikel ein Kandidat für die Rubrik Braun ist das neue Weiß.

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Wie schön, dass auch W123 in so gar nicht mehr modernen Farben gehegt und gepflegt werden. In derart gutem Zustand haben sie sich auch ihre Eleganz von damals bewahrt – man kann verstehen, warum der Erstbesitzer diese, und nur diese Farbe haben wollte. Wie schlimm wär’s doch, wenn nur silberne, goldene und schwarze Wagen überleben würden, weil Riedgrün und Weizengelb heutzutage nicht mehr cool genug sind.

In einem überaus netten Restaurant am Rande des alten Klinikums (den überaus leckeren Artischockenauflauf in Gorgonzolasauce behalten wir mal im Hinterkopf) fabulieren wir über die Vor- und Nachteile des Diesels an sich und Pflanzenöls im besonderen.

Franz-Josef macht mich auch auf eine weitere Museumsbahn in der Nähe aufmerksam: Die Zuid Limburgse Stoomtrein Maatschappij, die auch von Vetschau und Kerkrade nach Valkenburg fährt. Es sind mehrere Dampfloks schwedischer Herkunft und deutsche Dieselloks in Betrieb. Es gibt auch eine deutsche Homepage. Klingt nach einem lohnenden Ausflugsziel.

Und noch ein Nachtrag zum Heckflossenstammtisch am Montag: Die erwähnte Fahrerin des roten 230C heißt Annette und hat auf ihrer Homepage eine Übersicht mit Rallyes und ist mit dem wirklich schicken Wagen sogar selber auf welchen unterwegs:

(Veröffentlichung mit ihrer freundlichen Genehmigung)
(Veröffentlichung mit ihrer freundlichen Genehmigung)

Könnte eine interessante Freizeitbeschäftigung sein. Hmm…

[Nachtrag: Das Restaurant war das Grevenstein in der Maria-Theresia-Allee 40.]