Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie die Grundausstattung an menschlichen Instinkten auch heute noch funktioniert, einige Millionen Jahre, nachdem wir von den Bäumen runter sind. Erst heute Morgen habe ich es wieder erleben dürfen. Auf der Autobahn.
Auf der A 544 nämlich – das ist das kurze Stück zwischen Europaplatz und Aachener Kreuz – flatterten drei dicke schwarze Vögel aus den Bäumen und überquerten ziemlich tief die Fahrbahn. Dummmerweise just in dem Moment, da der Schreiber dieser Zeilen unter voller Ausnutzung der erlaubten 100 Stundenkilometer den Würselener Berg hochdieselte. Für beide Seiten war es ein schlecht gewählter Zeitpunkt. Ganz besonders für Vogel Nummer drei.
Es hat ganz schön geknallt. Sogar der Innenspiegel war danach verstellt.
Frage: Wie reagiert ein Homo Sapiens des Jahres 2008, wenn rund 10.000 Jahre nach dem Tod des letzten Säbelzahntigers ein potenziell schädliches Tier mit hoher Geschwindigkeit näherkommt?
Antwort: Auch nicht schlauer als sein Urahn. Der hätte vielleicht noch zum Speer gegriffen, dem mit der Klinge aus Feuerstein. Da diese Art der Verteidigung heute nicht mehr verfügbar ist, zieht Homo Sapiens ’08 mit einem „Hiiiirrrch“-ähnlichen Geräusch die Luft ein und reißt sich die rechte Hand schützend vor’s Gesicht.
Ein ausgesprochen dämliches Verhalten im Zeitalter der Windschutzscheibe aus Doppelverbundglas. Kann doch gar nichts passieren. Im Gegenteil, die Instinkte hätten frohlocken müssen: Hey, eine leckere Zwischenmahlzeit! Rechts ranfahren und mit Stöckchen auf dem Standstreifen ein Feuer gemacht!
Das wäre ein Beweis für Evolution gewesen. Schade. Offenbar wird es noch mindestens weitere 10.000 Jahre dauern, bis Autofahrer in der Viertelsekunde vor dem Vogelschlag mit der linken Hand das Lenkrad etwas fester halten und mit der rechten das Radio lauter drehen.
Aber eigentlich sollte ich ja froh sein. Froh, dass gerade kein Speer im Auto lag. Sonst hätte ich jetzt nicht nur Federreste an der Dachkante, sondern auch noch Feuersteinsplitter im Armaturenbrett.