Neues aus dem Waschsalon

Kamera03_800Na schön. Zwar ist am Sonntag der Versuch, sich bei der AKV-Ordensverleihung in die rheinische Seele einzufühlen, nicht restlos geglückt. Sei’s drum. Schon tags drauf, am Montagabend, bietet sich Gelegenheit für das nächste soziokulturelle Experiment. Wir sitzen bei „Nightwash„, der seit acht Jahren durchs Land tourenden Comedy-Veranstaltung. Wir sitzen in einem Waschsalon.

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Im Aachener Eurogress ließen sich über 1.300 Menschen mehr oder weniger ausgeprägter Prominenz in aufwändiger Kulisse von einer ebenso aufwändig inszenierten Mammutveranstaltung bespaßen. Das Fernsehen war vor Ort und der Eintritt nicht wirklich billig.

Bei der Nachtwäsche quetschen sich etwa 50 Menschen in eine winzige Münzwäscherei am Hönniger Weg in Köln. Die Kulisse ist karg: Das Publikum hat sich locker um und auf den massiven Waschmaschinenblock mitten im Raum platziert. Unmittelbar davor, direkt auf der Fensterbank, treten die Akteure auf. Für die Bildtechnik ist eine einfache Videokamera zuständig, das Stativ mit Klebeband auf einem der Waschautomaten befestigt. Der Eintritt ist frei.

Nightwash, das ist reinster und feinster Eventminimalismus. Die Stimmung im Licht der Neondeckenlampen ist eine Mischung aus überfülltem Soziologieseminar und Flughafenwartehalle. Die Stimmung ist gut.

Knacki50_800Was momentan Klaus-Jürgen „Knacki“ Deuser zu verdanken ist, dem Moderator und Erfinder von Nightwash. „Wer ist Student?“ fragt er in die Runde. Einen sich outenden Sonderpädagogiker tröstet er: „Irgendeiner muss ja die ganzen Lehrer ausbilden.“

Wer das Glück hatte, bis etwa zwei Stunden vor Programmbeginn noch einen der Stühle vor den Maschinen zu ergattern, hat jetzt ein Problem. Denn Deuser ist ein überzeugter Verfechter von Publikumsnähe. Gnadenlos zieht er über den „modischen Pulli“ eines mutmaßlichen Chemie-Studenten vor ihm her, wohl „beim letzten Experiment selbst gefärbt“, man könne bestimmt den pH-Wert drauf ablesen. Überhaupt, all die Studenten hier. „So viele junge Leute, das hat man doch zum letzten Mal in der JVA Siegburg gesehen.“

Das Besondere an Nightwash ist die Authentizität. Vor den zunehmend beschlagenden Scheiben werden schemenhaft die Umrisse eines haltenden Straßenbahnzuges sichtbar. Eine müde aussehende Hausfrau holt ihre Wäsche aus dem Trockner, auf dessen Gehäuse bereits Bierflaschen stehen.

Trockner42_800Derweil lamentiert der erste Gast des Abends, Johannes Flöck, über die Strapazen des Älterwerdens. Selbst sein alter TBC (Tabak, Bier, Currywurst)-Freund Klaus sei mittlerweile zu gesunder Bionade konvertiert – weil keine Konservierungsstoffe drin seien. Flöck kann’s nicht glauben: „Wir sind jetzt in dem Alter, in dem wir jeden Konservierungsstoff brauchen!“

Immer noch drängen Besucher in den überfüllten Raum. Hinter der Glasfront herrscht jetzt – haha – eine Atmosphäre wie in der Waschküche. Puh, stöhnt der Gast. Wohin nur mit der Jacke? Gut, dass es so viele leere Waschtrommeln gibt, die sich zur Instant-Garderobe umfunktionieren lassen. Die Jungs da vorne leben schließlich auch vom Improvisieren.

Salon68_800Nach Flöck ist Markus Barth an der Reihe, der heimatvertriebene Bamberger: „Ich konnte das R nicht rollen.“ Ohnehin hatte er sich in der kleinen Metzgersfamilie seiner Kindheit nie allzu heimisch gefühlt. Als sein Bruder den Eltern gestand, Vegetarier zu sein, nutzte Barth die Gelegenheit, seiner Familie die eigene Homosexualität zu beichten. „Egal“, brüllte der Vater verzweifelt zurück, während er an seinem anderen Sohn mit zwei Weißwürsten einen Exorzismus durchführte, „dein Bruder ißt kein Fleisch mehr!“

Dann ist endgültig Schluss mit Political Correctness. Die Bühne betritt Motombo Umbokko alias Dave Davis. Der lautstarke Applaus zu seiner Begrüßung zeigt, dass er am Rhein längst eine feste Fangemeinde hat.

Als Toilettenmann bei McDonalds ausstaffiert, spielt der nach eigener Darstellung „Maximalpigmentierte“ geschickt mit Vorurteilen und schlechtem Gewissen seines deutschen Publikums. „Isch mag weiße Leute, ne.“ Sein gekonnt tumbes Dauergrinsen und holprig-hintergründiges Asylbewerbersprech würden einen Saal auch dann im Nu zum Brodeln bringen, wenn die Luftfeuchtigkeit nicht so hoch wäre wie hier.

Motombo79_800Toilettendienst sei immer noch besser als Hartz IV, sinniert Motombo, wobei sich der Begriff bei ihm eher wie „Hass vier“ anhört. Erst vergangene Woche sei in seiner Toilette ein Deutscher depressiv geworden, „wege Hass vier“, und habe sich die Pulsadern aufgeschnitten. „Jetze hat er offene Stelle!“ Das Publikum quietscht vor Vergnügen; erst recht, als der Mann auf der Bühne beim Schildern einer Szene in einem bayerischen Einwohnermeldeamt unvermittelt in perfektem Beamten-Bairisch lospoltert. Nur um wieder nahtlos auf seinen Afro-Singsang umzuschalten: „Wer musse hier Deutschkurs mache?“

Mit dem Lied „Kiliman Joe“ (Download als MP3 hier) verabschiedet sich der Höhepunkt des Abends. „Das war die Rache des schwarzen Mannes“, bilanziert Knacki Deuser und ruft noch eine Warnung hinterher: „Pass auf, dass De Höhner das Lied nicht hören!“

Munter geht das Programm voran, eine den Sportunterricht ihrer Jugend parodierende Ramona Schukraft und zum Schluss noch einmal Johannes Flöck – eingesprungen für einen erkrankten Kollegen – lassen den komödiantischen Schleudergang locker ausklingen. Ein letztes Mal darf Flöck über den 40. Geburtstag weinen, „wenn Happy und Birthday getrennte Wege gehen“. Und in der U-Bahn plötzlich Kinder artig aufstehen: „Möchten Sie sich setzen?“ – „Nein! Ich möchte dir wehtun!“

Buegelschild14_800Nach anderthalb abwechslungsreichen Stunden ist Schicht im Salon. Die Besucher drängen auf den Bürgersteig. Zurück bleiben nur die Bierflaschen auf den Waschmaschinen – „so finanzieren wir uns“, behauptet Knacki Deusler noch allen Unernstes.

So viel Spaß, live und ohne Eintrittsgeld – dass es das noch gibt. Wie gesagt, der Kontrast zum Abend davor war groß. Um so weniger Probleme hatte der neu in die Region gezogene Blogger mit dem Verstehen und Amüsieren. Es ist halt doch oft sinnvoll, erstmal klein anzufangen.

Das Schönste zum Schluss: Für eine Nachtwäsche muss man nicht mal nach Köln fahren. Volle drei Tage lang, vom 26. bis 28. Februar, gastiert die Show ohne Schonwaschgang im Aachener Jakobshof. Sauber.

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