Es ist morgens, es ist halb Zehn durch, es ist viel los auf der A4 und es ist alles zu spät. Es war schon zu spät, als ich vor 20 Minuten hektisch Flockis Zündschlüssel umdrehte. Zu spät, als der kilometerlange Rückstau vor dem Kreuz Köln-West endlich hinter uns lag und noch später, als wir endlich durch das zweite Geknubbel vor der Baustelle an der Brücke über die ICE-Strecke waren. Zu spät, um pünktlich um Zehn in der Redaktion zu sein.
Nun windet sich die zweispurige Blechschlange, durch dynamische Verkehrsbeeinflussung auf 100 km/h heruntergekühlt, durch den Wald zwischen Buir und Düren. Mittendrin: Flocki, ich und Steffi Neu von WDR2. Entspannen Sie sich, Drängeln hat doch keinen Zweck, Sie sehen doch, dass es hier nicht schneller geht.
Aber was ist das? Vor uns taucht etwas auf, dass die unverkennbaren, eckigen Linien der Siebziger trägt. Ein VW Santana? Oder gar ein alter Mitsubishi Galant?
Oh nein, es ist so ziemlich das genaue Gegenteil. Das gewaltige Dreizack-Emblem an der nicht weniger imposanten C-Säule verrät: Vor uns fährt ein waschechter Maserati Quattroporte III, gebaut irgendwann zwischen 1979 und 1986, als ein paar Jahre lang De Tomaso das Regiment in Modena führte, nach Citroën und vor Fiat. Der große Giorgio Giugiaro zeichnete für die kantige Silhouette verantwortlich, die denn auch ihre Verwandtschaft mit vierrädrigen Ikonen wie dem De Lorean DMC und dem BMW M1 nicht bestreitet, aber auch Familienähnlichkeit mit der ersten Generation von VW Golf, Scirocco und Passat aufweist. Von daher war der VW Santana zumindest nicht völlig abwegig. Hatten Autos je wieder so viel Charakter wie damals?
Sein über 200 PS starker V8 mit über vier Litern Hubraum machte den Quattroporte für Fahrer, die den Mut zur Nischenmarke aufbrachten, zu einer echten Alternative zu Mercedes 450 SEL 6.9 und Jaguar XJ V12, vom BMW 745i ganz zu schweigen.
Was für ein rares Glück, eins der nur knapp über 2200 gebauten Exemplare hier zu treffen. Diese Kanten! Diese Felgen! Diese Auspuffrohre! Dieses bezaubernd understatelnde „4porte“-Typenschild!
Eine Zeitlang darf sich Flockis 1,8-Liter-Vierzylinder auf Augenhöhe mit dem fast doppelt so starken Italo-Exoten fühlen. Dann wird die A4 hinter Düren dreispurig und der Dreizack schüttelt den schnöden Berufsverkehr mit leichtem Druck aufs Gaspedal einfach ab.
Zwanzig Minuten später, hinter der Dauerbaustelle Aachener Kreuz, verlassen wir die Autobahn. Am Ende der Abfahrt Rothe Erde wartet die Ampel zum Berliner Ring. Springt sie auf Grün, kann man es bei konzentriertem Einsatz von Gas und Bremse, entsprechender Zurückhaltung des übrigen Verkehrs sowie etwas Glück und deutlich mehr Chuzpe gerade noch bis zur Kreuzung Breslauer/Dresdener Straße schaffen, ehe dort die Ampel auf Rot wechselt.
Heute, wo alles zu spät ist, ist auch das Glück der freien Bahn nicht mit uns. Dafür um so mehr zähflüssig dahinrollende Hürden der Landstraße à la Twingo und Bravo. Die Ampel empfängt uns erdbeerfarben. Die Hände umkrallen das Lenkrad – ach, egal, zu spät ist zu spät ist zu spät.
Aber vorhin, auf der A4, da war ein Wagen… der hätte es geschafft.