Ich sitze in meinem neuen Auto. Zum ersten Mal. Wobei „neu“ vielleicht nicht ganz das richtige Wort ist. Ich sitze auf dem Fahrergestühl eines Mercedes C180 von 1994, eines knapp 17 Jahre alten Fahrzeugs also.
Der Wagen steht auf dem Parkplatz einer Bosch-Werkstatt in Aachen. Der ADAC hat ihn heute Morgen hierher geschleppt. Der Blick über die links herunterhängende Motorhaube verrät, warum: Im Vorderkotflügel auf der Fahrerseite ist die Federbeinaufnahme gebrochen. Die Feder ist glatt aus dem Radhaus herausgefallen, sie liegt lose im Kofferraum.
Für die Besitzer war das der Zeitpunkt zu sagen: adieu. Danke für 174.000 glückliche Kilometer, doch nun ist deine Zeit um. Schrottplatz oder Marc, wer hebt als erster die Hand?
Mein neues Auto. Ich kann mein Glück noch gar nicht fassen.
Der Blick schweift über den neuen Arbeitsplatz, das neue Lebensabschnittswohnzimmer. Manche Menschen haben ja ein eher musealisch-erotisches Verhältnis zu ihrem Auto, für andere ist es bei aller Zuneigung in erster Linie ein Nutzgegenstand. Ascheflöckchen auf der Mittelkonsole zeugen davon, dass der C in seinem ersten Leben ein Raucherauto war. Was das Tabakbraun des einst hellgrauen Dachhimmels bestätigt.
Ja, hier kann man sich austoben, wenn man den musealen Ansatz verwirklichen will, dieses einzig wahre „wie frisch ab Werk“-Gefühl.
Es gilt Lack wieder zum Glänzen zu bringen,
Rost zu bekämpfen,
ordentlich aufzuräumen
und allzu kecke Natur zu vertreiben. Das ist mir etwas zu viel frisches Grün am Auto.
Die nächsten Wochen werden arbeitsreich. Fast jeden Tag hänge ich in irgendeiner verrenkten Position im, am, vor oder hinter dem Wagen.
Die Reinigung des Innenraums gerät zur Riesenaktion. Mit einem gemieteten Sprühreiniger aus dem Baumarkt geht es an das restlos entkernte Innenleben. Für den Ausbau der Sitze braucht’s eine eigens gekaufte Torx-Nuss.
Doch die Mühen werden belohnt. Mercedes-Qualität ist eben auch nach 17 Jahren noch Mercedes-Qualität, wenn andere Autos schon längst wieder dem Recyclingkreislauf beigetreten sind. Der Kunststoff des Armaturenbretts schimmert wieder wie 1994. Den Lack verhilft eine Politur zum alten Glanz. Und der C offenbart noch andere Qualitäten – vor allem einen vollständig unverbastelten Originalzustand.
Der Erstbesitzer war ein Sparfuchs: Außer E-Schiebedach, Colorglas, geteilt umklappbarer Rücksitzlehne und der Antenne (mechanisch!) hat er auf sämtliche Extras verzichtet. Nix Beifahrerairbag, nix E-Fensterheber, nix Klimaanlage, nix Kopfstützen hinten, nix Mittelarmlehne, nix Tempomat. Nix Elegance-Paket, nix Alufelgen, nix Zebranoholz. Gut, dass damals wenigstens ABS, Servolenkung, Zentralverriegelung, der Fahrerairbag und elektrische Außenspiegel serienmäßig waren. Und trotzdem: Ein Gefühl tiefer Dankbarkeit schwappt durch die Blutbahnen des Viert-Halters.
Der Moderraum vorher…
…und das Motorhome nachher.
Zum Nulltarif rollt der C freilich nicht in sein zweites Leben. Die Wiederbelebung beginnt mit der Federbeintransplantation (320 Euro), wird fortgeführt in neuem Schuhwerk (4 x Conti Premium Contact, ebenso 320 Euro), ergänzt durch neue Bremsen und Scheinwerfergläser (280 Euro), eine gebrauchte Kofferraumklappe in Polarweiß (90 Euro), eine Mittelkonsole mit Armauflage (50 Euro) und abgerundet von einem bunten Reigen aus Verschleiß- und Ersatzteilen, dem Wechseln diverser Flüssigkeiten und Filter (200 Euro mindestens) und ein paar Goodies von Ebay – neue Sonnenblenden, Aschenbecher, iPhone-Adapterkabel fürs (aus dem Wintergolf gemopste) Blaupunkt Essen. Ach ja, und das Wichtigste: ein neuer Stern, macht 30 Euro bittesehr. Über 1700 Flocken kamen am Ende zusammen.
Die Krönung ist aber die Gasanlage: eine Prins VSI, vollsequentiell, mit 67-Liter-Tank, und teurer als alle Investitionen bis dahin zusammen. Flocki, so heißt der C jetzt, hat nämlich noch einiges vor. Er wird jeden Kilometer der A4 zwischen Köln und Aachen ziemlich intensiv kennenlernen…
…und sieht er jetzt nicht aus, als ob er sich schon darauf freut?
Morgen geht’s allerdings erstmal in den Süden. Nach Portugal. Die erste große Reise. Noch eine Premiere. Das erste Mal hat viele Gesichter.
Glückwunsch! Das sieht doch nach einem guten Kauf aus. Darf man fragen, was mit „Golfi“ jetzt passiert?
Glückwunsch
Das REsultat kann sich aber wirklich sehen lassen. Ich denke da wird dir Flocki dir sehr dankbar für sein und dir gute Dienste erweisen;)