Der Glücksgriff

Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Macro-Prakticar, F22
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Macro-Prakticar, F22

Ich freue mich gerade über einen etwas exotischen Vogel, der mir heute Morgen aus der allseits geschätzten Elektrobucht zugeflogen ist.

Darf ich vorstellen? Ein Meyer Optik Primotar E 3.5/50. Das ungewohnte „E“ steht für „Einstellblende“: Das auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1957 neu vorgestellte Objektiv ist für damalige Verhältnisse äußerst modern mit sogenannten hochbrechenden Krongläsern und Tiefflinten konstruiert. Doch die gute Bildqualität hatte ihren Preis in der eher unterwältigenden Offenblende von F3.5 – das berühmte Tessar vom direkten Konkurrenten Carl Zeiss Jena glänzte schon längst mit F2.8. Also kamen die Görlitzer Ingenieure auf den Trick, die Linsen etwas größer anzulegen als für 3.5 nötig wäre. Öffnet der Fotograf nun beim Fokussieren die Blende mit Hilfe eines vorgesetzten zweiten Umschaltrings noch etwas weiter, hat er etwa Lichtstärke 3.0 zur Verfügung (zum Fotografieren ist diese Blende nicht nutzbar). Was eine Menge ausmachte, als man noch kein Liveview hatte, sondern auf das Licht im Sucher angewiesen war…

Einen „Geniestreich“ nennt Marco Kröger diesen Kunstgriff auf seiner lesenswerten Webseite Zeissikonveb.de (von der ich all diese beeindruckenden Fachinformationen gecopypasted habe): „Ich halte dieses Primotar E für das bemerkenswerteste Objektiv, das je in Görlitz entwickelt worden ist.“ Beim Verhältnis von Herstellungsaufwand zu erzielter Bildqualität sei das Primotar E nämlich „ein echtes Optimum“.

In meiner Vitrine bekommt der – wie bei Meyer nicht anders zu erwarten ansehnliche – Silberling einen Platz neben dem Zeiss-Biotar 2.0/58, diversen Tessaren 2.8/50, dem Meyerschen Hochleistungs-Klassiker Primoplan 1.9/58 und dem ja mittlerweile völlig überteuerten Trioplan 2.9/50. Und vervollständigt so meine Alu-Sammlung.

Nachdem der Neuzugang eine Stunde lang mit Mikrofaser- und Silberputztuch vom Dreck der vergangenen 60 Jahre befreit wurde, freut er sich auf den ersten Einsatz an der A7II. Ein paar Probeschüsse deuten schon mal auf brauchbare Schärfe und ein angenehm weiches Bokeh hin, typisch für die Meyer-Linsen aus dieser Zeit. Schade, dass das Primotar nur sechs und auch noch schnurgerade Blendenlamellen hat, statt der damals noch verbreiteten acht bis zehn oder gar deutlich mehr. Was beim „E“ nämlich zur Folge hat, dass die Spitzlichter im Hintergrund immer sechseckig sind, sogar bei Offenblende – ziemlich einzigartig in der Welt der Objektive.

Da liegt er nun und glänzt im Licht, der kleine Zylinder aus Metall und Glas. Der Fokusring läuft wie geschmiert, die Blendenlamellen rasten ein, wie sie sollen. Und das, obwohl die Linse als „für Bastler“ angeboten wurde. Und entsprechend günstig zu haben war.

Willkommen in meiner Sammlung, kleiner Geniestreich. Vielleicht bist du nicht das perfekte 50-Millimeter-Objektiv, nach dem wohl jeder Fotograf sucht. Aber ein Glücksgriff bist du bestimmt.

Grashüpfer

Sony A7II mit Pentacon 2.8 135, 1/125s, ISO 400
Sony A7II mit Pentacon 2.8 135, 1/125s, ISO 400

Aus unserer Serie „Öcher Figürchen“ heute ein schwererer Brocken – oder ist es ein Grashüpfer? Wo reckt er seine Fühler in den regnerischen Abendhimmel?

Öcher Figürchen

Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Prakticar 3.5 135, F16, 30s, ISO 50
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Prakticar 3.5 135, F16, 30s, ISO 50

Wo man schon mal da war, konnte man sich auch gleich mal nach Öcher Figürchen für die Serie im Blog umgucken. Und siehe da…

(Die kleine goldene Dame schaut über dem Eingang in der Körbergasse 6 durch ihr Gitterchen.)

Luftschutzraum

Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Flektogon 2.8 35, F5.6, 1/60s, ISO 400
Sony A7II mit Carl Zeiss Jena Flektogon 2.8 35, F5.6, 1/60s, ISO 400

Da geht man nichtsahnend durch das hübsche Johannisviertel in Oldenburg und sieht ganz nebenbei hinter fröhlich bunten Fahrrädern ein Überbleibsel aus den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs.

An den Sockeln der Häuser wurden in Deutschland im Zweiten Weltkrieg an entsprechenden Stellen in weißer fluoreszierender Farbe (wegen Verdunkelung oder Stromausfall) die Abkürzungen LSK (Luftschutzkeller) oder LSR (Luftschutzraum) angebracht, oft aber auch ausgeschrieben. Verbunden war das ab dem 15. März 1944 verpflichtend mit Pfeilen, die möglichst ebenfalls in Leuchtfarbe aufgemalt werden sollten. […] Der Pfeil wies nicht nur auf den Eingang zum Luftschutzkeller hin, sondern diente, wenn ein Gebäude einstürzte, auch der Rettungsmannschaft dazu, den Zugang zu finden. […] Die Wandaufschriften sind meist durch Neuanstrich des Gebäudes oder Verwitterung verschwunden, nur in seltenen Fällen kann man sie heute noch erkennen.

(Wikipedia)

Neuzugang

Image Stabilizer. Autofokus. Elektrischer Zoom. Das neue Caniam EF 24-105 hat so ziemlich alles, was ich an Objektiven verachte.

Und doch darf diese in Fachkreisen heiß diskutierte Linse ausnahmsweise bei mir bleiben: Ihre inneren Werte sind einfach überzeugend.

(Und weil der eine oder andere mein Fachgeschwurbel tatsächlich schon für bierernste Prahlerei genommen hat: Es ist ein Thermokaffeebecher. „Can I am“, geddit?)

Antonius wacht

Carl Zeiss Jena Vario-Prakticar 4 80-200, F8, 8s, ISO 125
Carl Zeiss Jena Vario-Prakticar 4 80-200, F8, 8s, ISO 125

Das Zoomobjektiv Vario-Prakticar 4 80-200 von Carl Zeiss Jena war der Traum jedes Amateurfotografen in den letzten Jahren der DDR. Ein fast immer unerfüllbarer Traum: Zum einen wanderten die allermeisten der nur etwa 4800 ab 1987 gebauten Exemplare als Devisenbringer in den Export – und die im Lande gebliebenen waren mit einem Kaufpreis von 2570 Mark für den Normalkonsumenten eh so gut wie unbezahlbar. Das Vario-Prakticar (das mit M42-Gewindeanschluss Vario-Pancolar hieß) war eines von nur zwei Zoomobjektiven, die zu DDR-Zeiten gebaut wurden und die praktisch letzte in nennenswerten Stückzahlen gebaute Eigenentwicklung überhaupt.

Ein Exemplar der einstigen Wunderlinse – die übrigens ihrem westdeutschen Cousin Zeiss 4 80-200 aus der Contax/Yashica-Serie verblüffend ähnelt, innerlich aber mit einer zusätzlichen Planplatte leicht anders aufgebaut ist – hat gestern aus dem ostpolnischen Bialystok ihren Weg zu mir gefunden. Angeblich noch nie benutzt. Heute Abend durfte sie am Rande des Aachener Weihnachtsmarktes zeigen, was sie kann. Ich würde sagen, dass sie sich nicht hinter ihrer Westverwandtschaft zu verstecken braucht.