
Der Friedhof Auf der Hüls ist nur ein paar hundert Meter weit vom Zeitungsverlag entfernt. Der perfekte Ort, um in der Mittagspause mal schnell ein hübsches Motiv einzufangen. Schauen wir mal, ob eine Serie draus wird.
Da vorne wird's hell
Sonntagmorgensfrühstückslicht im Café Ferbers, Burtscheid. (Okay, Vormittagslicht.) Wo ich vorgestern hier so schön vom „Whow“-Moment des Minolta MD 1.7/50 sprach, durfte es heute Morgen noch einmal mit. Und was soll ich sagen, das Ding rockt immer noch („This is an excellent, inexpensive and compact lens“, schreibt Ken Rockwell. „Go get one.“). Chön charf, auch so freihändig mal eben quer durch den Raum geschossen (schaut mal die Zeichnung der Spiegelung auf dem linken Stuhl an – einfach in der Galerieansicht mit dem „X“ oben rechts das Bild auf volle Größe klicken). Das waren gut angelegte 25 Euro damals.
Adalbertstimmung am Abendsteinweg. „Es ist total schönes Licht draußen“, chattete meine Freundin mich an – und ich packte mir das Stativ und rannte nochmal raus. Premiere für das Minolta MD 4/70-210. Ein astreines Telezoom aus den 1980er-Jahren, für rund 60 Euro bei Ebay regelrecht erramscht (hier ein Testbericht samt interessantem Vergleich mit dem aktuellen Sony FE 70-200 G OSS). Zwei Objektive, die neu von Sony zusammen um die 2300 Euro kosten dürfen. Hach ja, der Reiz der alten Gläser hat viele Gesichter. Einer davon ist der Gesichtsausdruck beim Preisvergleich mit Amazon.
Der Fischmarkt ist einer meiner Lieblingsorte in Aachen. Auf dem kleinen Platz zwischen Albrecht-Dürer-Stuben, dem historischen Grashaus, dem Blumenladen „Blütezeit“ und natürlich dem Fischpüddelchen-Brunnen ist der Jahrhunderte alte Herzschlag der Stadt besonders spürbar. Vor allem abends, wenn das Licht der Straßenlaternen dem Straßenpflaster und den roten Backsteinen der Ziegelwände einen goldenen Schimmer verleiht und die letzten Nachtschwärmer achtlos über den Platz nach Hause hasten, liegt eine ganz besondere Stimmung über dieser Ecke.
Nicht umsonst habe ich am 18. August vergangenen Jahres, als ich zum ersten Mal mit einer alten manuellen Festbrennweite – einem Minolta MD 1.7/50 – fotografiert hatte und im Thai-Restaurant meinen „Whow-Moment“ wegen der Schärfe, der lebendigen Farben und des traumschönen Hintergrundes erlebte, nach den ersten Bildern von Entenbrust und Cocktailschirmchen auf dem Nachhauseweg genau diese Aachener Ecke abgelichtet. Es war nicht das letzte Mal.
Das 28-mm-Weitwinkelobjektiv Sony FE 2/28 ist bislang meine einzige „moderne“ Linse für die A7II. Also eine mit Autofokus, Ultraschallmotor, interner Bildkorrektur, Übertragung von Blenden- und Belichtungsdaten an die Kamera und all dem Pipapo. Und ja, es produziert eine astreine Bildqualität. Gestochen scharf, mit lebendigen Farben. (Phillip Reeve hat ihm auf dem Systemkamera-Blog eine exzellente Leistung bescheinigt.)
Man könnte versucht sein, nach dieser Erfahrung zu sagen: Was so eine High-Tech-Linse kann, das können die alten Glasklunker nimmer, die in den vergangenen Monaten nach und nach vom DHL-Boten in meine Wohnung getragen wurden. Da bleibt einem wohl nichts übrig, als nach und nach immer mal wieder einen runden Tausender auf den Tisch zu legen, um seinen Objektivpark auf den Stand des 21. Jahrhunderts zu bringen.
Doch was tun die 30 Jahre alten Klunker? Sie geben sich einfach nicht geschlagen.
Neuester Zugang im erwähnten Objektivpark ist ein Klassiker unter den Makroobjektiven, das Tamron SP 2.8/90 Macro. Es geht beruht auf einem Vorgänger aus den 70er-Jahren und wurde bis vor wenigen Jahren optisch unverändert gebaut. Ersteigert habe ich es, weil ich gerade einen Kurs in Makrofotografie an der VHS Köln belege und ich mit meinen bisherigen 50-Millimeter-Makroobjektiven von Sigma und Canon zu nah an die anvisierten Käfer, Insekten und sonstiges Kleingetier herankriechen muss, um sie ausreichend groß ins Bild zu bekommen. Was das Gefleuch meist verscheucht. Mit dem 90-Millimeter-Tele kann man mehr Abstand halten.
Und wie man sieht, lassen sich damit sogar Fische fotografieren. Die Schärfe ist fantastisch (das Bild lässt sich in der Galerieansicht mit dem X-Button oben rechts noch einmal auf volle Bildschirmgröße vergrößern). Die Farben leben. Der Hintergrund cremt, wie es schöner kaum sein könnte.
Das Altglas schlägt sich bravourös – nein, im Moment sehe ich da noch keinen akuten Modernisierungsbedarf.
Hmpf. Der durchaus unbegeisterte Blick des Herrn G. im oberen (und erst recht im untersten) Bild gibt meine Zufriedenheit mit den Ergebnissen der heutigen Fotosafari im Vaalser Clermontpark ganz gut wieder: Mehr als 200 Mal auf den Auslöser gedrückt, am Ende nicht mal 20 halbwegs scharfe Motive.
Das mitgenommene Minolta MD 2.8 135mm hätte als lichtstarkes leichtes Teleobjektiv wie dafür geschaffen sein sollen, die schmucken Schwimmvögel vor der glitzenderen Teichoberfläche reizvoll freizustellen.
Zugegeben: Den verträumten Hintergrund bekommt das Objektiv wirklich schön hin. Das geht quasi von alleine.
Das Problem ist der Fokus. Beziehungsweise das Finden desselben. Selbst auf F16 abgeblendet war es immer noch reine Glückssache, ob die Schärfe so einigermaßen das hibbelige Getier traf – oder haarscharf neben den Augen saß, so wie bei dieser Ente.
Dabei machten es mir die schwimmfüßigen Objekte gar nicht einmal allzuschwer: Sie erduldeten den heranwatschelnden Zweibeiner – eine Art aus dem Leim gegangene Riesenblaugans – durchaus recht lange, bevor sie den Respektabstand vergrößerten.
Beim Tierparkbesuch im Dezember („Oecher Viecher“) war ich von dem Objektiv noch begeistert gewesen. Aber damals saß die Linse noch an der Sony Nex-6 mit ihrem kleineren APS-C-Bildsensor. Jetzt muss sie sich am deutlich größeren Chip der A7II beweisen.
Und das war schwer, trotz Lupenfunktion und Kantenanhebung im Display und Bildstabilisator im Kameragehäuse.
Ob es am zu schnellen Objekt lag oder am zu langsamen Objektiv, muss offen bleiben. Glücklich bin ich mit der Ausbeute des Tages nicht (was auch daran lag, dass die so hübschen Blumenbeete und -wiesen, die ich im vergangenen Herbst dort gesehen hatte, noch nicht wieder angelegt waren).
Ganz so grumpfig, wie der Gänserich mich am Ende anguckte, fuhr ich zwar nicht nach Hause, aber die Erkenntnis war nicht zu leugnen: Mobiles Wassergeflügel ist für manuelle Teleobjektive einfach zu mobil.
Der Wind weht scharf, aber erträglich, als wir über den von Touristenfüßen plattgetretenen, überfrorenen und spiegelglatten Schnee mehr rutschen als stapfen. Hinter Baraque Michel führt der Wanderweg erst durch ein kleines Waldstück – und dann steht man schon im Venn.
Fast zwei Jahre ist es her, dass ich – allerdings ein paar Kilometer weiter, auf deutscher Seite – auf einem Spaziergang an dieser so ungewöhnlichen Landschaft trotz guter Kamera und ebensolchen Objektiven verzweifelte. Viel Himmel, viel Horizont, versprenkelte Bäume, in der Mitte der Weg. Was sollte man da fotografieren?
Heute weht ein anderer Wind. Wörtlich genommen. Ein Dutzend verschiedenster Fotokurse und noch deutlich mehr Objektive später fällt die Motivwahl nun etwas leichter. Da hätte es den großen Schwarm Kraniche gar nicht gebraucht, der über uns zurück nach Norden zog.
Eine eigenartige Landschaft ist das Venn. Riesenhaft leer und offen wirkt es und versperrt sich gleichzeitig mit seinem sumpfigen Boden der Eroberung durch den Besucher. Nur auf geradezu homöopathisch schmalen Pfaden lässt es sich erkunden.
Gerade einmal meterbreite Holzstege führen über die morastige Ebene. Die Warnung „Als het weer regenachtig is, zijn de houtstegen glibberig“ ist berechtigt. Wenn das Wetter dagegen eisig ist, sind die Planken nicht nur glibberig, sondern geradezu mörderisch glatt.
Schließlich führt der Weg wieder an einem Bach entlang in ein Waldstück, wo es vor lauter Bächlein regelrecht murmelt.
Das Fortkommen wird immer schwieriger. Der spiegelglatte Steg bietet kaum Halt und in den Planken klaffen große Lücken.
Das Geländer, wenn es denn eins gibt, ist höchlichst willkommen. Auch, wenn das rauhe Holz an den Handschuhen zupft.
Motive zum Fotografieren gibt es in diesem stillen Winterwald allerdings reichlich. Ich habe zwei Objektive für die Sony A7 II in der Tasche: mein sehr geschätztes Minolta MD 3.5 35-70 mm Zoom und die jüngste Neuerwerbung, ein MD 4 75-150 mm Zoom von 1981. Beide Brennweiten ergänzen sich sehr angenehm. Und beide überzeugen mit knackiger Schärfe und angenehmem Bokeh.
Zugegeben, das Wechseln der Objektive auf den ebenso schmalen wie glatten Holzstegen ist kein Vergnügen. Auch reicht die Zeit heute nicht, mit Stativ und langem Hin- und Herprobieren das perfekte Bild zu komponieren. Dafür ist es auch einfach zu zugig – also muss es zügig gehen.
Aber als uns der Weg schließlich wieder zurückführt, bin ich glücklich. Über den schönen Spaziergang – und das Gefühl, im Venn diesmal fotografisch nicht am Ende gewesen zu sein, sondern am Anfang.
Was für ein gutes Gefühl es ist, morgens mit einem soliden Zeitpolster zur Arbeit aufzubrechen! Nur zu oft war es zuletzt dem Verfasser dieser Zeilen passiert, dass die Abwägung zwischen den Übeln, entweder zu spät ins Büro zu kommen, oder aber rechtzeitig, dafür jedoch mit ungeputzten Zähnen, in erstgenannter Folge gemündet war.
Heute jedoch soll beides nicht der Fall sein. Und so schreitet der Held unserer Geschichte, ein früher Vogel mit frischem Pfefferminzgeschmack im Schnabel, schwingenden Wintermantels und ebensolchen Schrittes in Richtung Friedensstraße, wo sein Wagen steht.
Oder besser: stehen sollte. Hatte er doch weiter hinten geparkt? Nein, da beginnt schon die verbotene Parkausweis-Zone. Oder am entgegengesetzten Ende, am Steffensplatz? Von Selbstzweifeln angenagt, hastet unser Autor in die Gegenrichtung. Doch auch dort: kein Wagen. Wo zum Teufel hatte er zuletzt geparkt, vor ein paar Tagen?
In der Friedensstraße jedenfalls nicht. Etwa in der Parallelstraße? Weiterhasten. Doch auch dort glänzt das vertraute Blech durch Abwesenheit. Es wird doch wohl nicht wieder abgeschleppt worden sein? Längst hätte unser Held im Wintermantel die Schwelle der Bürotür überschreiten müssen. Von üblen Alzheimergedanken zermürbt, irrt er weiter durchs Viertel, bis ihm endlich die erlösende Erinnerung kommt – oben an der Kongressstraße war’s! Nur wenige Minuten später findet ein Autoschlüssel leicht zitternd den Weg in sein passendes Schloss.
Nun gut, mit dem pünktlichen Arbeitsbeginn ist es auch heute mal wieder nichts geworden. Bleibt nur ein schwacher Trost: Auch heute sind zumindest die Zähne geputzt.
(Geschrieben für die App AmAbend von Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten)
Erste Gehversuche am 22. Januar mit der A7 II, dem Minolta MD 100 2.5 und dem Canon FD 20 2.8. Und natürlich: einem Stativ. Wetter war ja nicht ganz so.