Frisch ans Werk also. Erstmal eine neue Motorradhose angeschafft. Die alte, Größe XXXL (oben), die hatte ich vor zehn Jahren gekauft, als ich noch viele Kilos mehr zählte als heute, und seitdem schlackert sie um meine verschlankten Waden. Die zweite wiederum, Größe L (unten), die habe ich vor sechs Jahren gekauft, als ich einmal für kurze Zeit diverse Kilos weniger zählte als heute, und seitdem zieht sie im Schrank den Staub an. Die nunmehr dritte (Mitte), vor wenigen Tagen frisch Erworbene, die liegt größenmäßig irgendwo dazwischen. Dass beim Hinsetzen noch gerne mal der oberste Druckknopf aufspringt, nehme ich als Ansporn, demnächst wieder etwas konsequenter zu sein mit dem Salatessen. Demnächst.
Weiter auf der Einkaufsliste. Eine Regenkombi muss her, denn was ist, wenn es auf der Rückfahrt tagelang dauerschüttet, man aber einfach übermorgen wieder im Büro sein muss?
Intensives Prospektstudium klärt mich auf, dass neben den althergebrachten Regenpellerinen aus wasser- und luftdichtem Kunststoff (Nachteil: Man schwitzt von innen fleißig gegen die Feuchtigkeit von außen an) inzwischen auch Exemplare mit atmungsaktiver Membran auf dem Markt sind. Solche Membranen haben meine normalen Motorradklamotten allerdings auch, doch die Fahrten durch Skandinavien und Spanien haben mich gelehrt: Wenn man stundenlang mit aufrechtem Oberkörper durch den Regen knattert, kriecht einem die Dauerpfütze auf der Sitzbank doch irgendwann in die Unterwäsche. Sorry, Mister Goretex, ich wähle die Plastikhaut nach alter Väter Sitte.
Aber wo wir schon einmal die Kreditkarte gezückt in der Hand halten: wasserdichte Überschuhe brauche ich noch. Für zum über die Stiefel drüberziehen. Und ein spezielles, winddichtes Halskragentuch, soll ja schon mal was frischer werden da oben am Polarkreis. Jetzt darf es denn auch mal Goretex sein. Ach, und geben Sie mir bitte Ersatzhandgriffe für Kupplung und Bremse, falls die vollbeladene Maschine mal umkippt und so ein Hebelchen abbricht. Und neue Rückspiegel, wo wir schon mal im Katalog blättern. Gut, dass in Aachen sämtliche großen deutschen Motorradhändler Filialen haben.
Was noch? Brauch ich ein neues Zelt, oder reicht das alte noch? Ich vergaß zu erwähnen, dass sich mittlerweile über ein Motorradforum eine Mitfahrerin – sogar mit Nordkap-Erfahrung – gefunden hat. Die delikate Frage, ob ein großes Zelt oder viele zwei kleine mit sollen, bedarf noch einer diplomatischen Klärung.
Bis jetzt hielten sich die Ausgaben noch im Rahmen. Ein schicker neuer Helm sollte also noch drin sein. Ist ja schließlich ein nicht ganz unwichtiger Teil der Ausrüstung, und der alte – ebenfalls vor zehn Jahren angschafft, damals, während der ersten Fahrstunden – hat auch schon die eine oder andere Schramme. Also wieder intensiv das Angebot in Katalogen und Online-Shops gewälzt.
Für 150 bis 200 Euro sollte schon ein vernünftiger Klapphelm zu bekommen sein. Das Einsteigermodell von Probiker gibt’s schon für 119 Euro, das von MTR sogar nur für 99. Oder vielleicht ein Vorjahresmodell von Nolan für 169 Euro? Ein Caberg? Ein Airoh? Shark? Marushin? Ein Auslaufmodell von Shoei? Als mir die freundliche Verkäuferin mit den Worten „man hat schließlich nur einen Kopf, probier doch den hier mal“ das Spitzenmodell ihrer Kollektion nahebringen will, den Schuberth C3 für stolze 480 Euro, werde ich energisch: Alles hat seine Grenzen, auch und vor allem mein Dispo. Diese High-Tech-Haube ist etwas für pensionierte Sparkassenvorstände, die auf einer Harley oder dicken BMW-Boxer in den dritten Lebensabschnitt reiten wollen.
Doch so viele Helme ich auch auf mich stülpe, sie alle haben einen Nachteil: Keiner passt. Jedenfalls nicht richtig. Seit Vater Staat nach meinen Diensten verlangte und mich Helme in Olivgrün tragen hieß, weiß ich, dass mein Schädel nur mit Hutgröße 63 angemessen bedeckt ist. Das ist mindestens ein Zentimeter mehr als der deutsche Durchschnittsklotzkopf. Schon aus dem Styroporfutter des alten Helms musste ich ein Stück Stirnschutz heraussäbeln, damit er kopfschmerzfrei zu fahren war.
„Du kannst den Schuberth doch mal aufsetzen, dann weißt du wenigstens, dass selbst der nicht passt“, empfiehlt die hilfreiche Verkaufsfee. Na schön, was habe ich zu verlieren. Das silberne Spitzenmodell, garantiert Made in Germany, wird aus dem oberen Regal geholt. Klapp, sagt das Visier. Um mich herum wird es still.
„Verdammt“, sage ich.
Denn sonst gibt es auch nichts zu sagen. Er sitzt, er passt, er umschmeichelt meinen Schädel so perfekt, als hätte jemand heimlich einen Gipsabdruck genommen, damals im Kreiswehrersatzamt 1989.
„Das nehme ich dir jetzt ein kleines bisschen übel“, grummele ich die Fee an. „Weißt du eigentlich, dass wir gerade eine Zwanzig-Prozent-Rabattaktion haben?“, flötet sie siegessicher zurück.
Nun ja. Da ist er also. Doppelt so teuer wie einkalkuliert ist immerhin nicht dreimal so teuer. Außerdem, und letztlich kann man auch dieser Plattitüde diesem klugen Spruch nicht widersprechen: Außerdem hat man schließlich nur einen Kopf.
Nicht schlecht, ein C3 also. Nobel geht die Welt zugrunde *fg* Aber ernsthaft: ich kann es gut nachvollziehen.
Geplant war das nicht… aber es war wirklich der einzige, der passte. Und dann findet man plötzlich noch mehr Vernunftgründe: Crashsicherheit, Geräuscharmut, Tragekomfort, das beschlagfreie Visier…
Und während der Fahrt ist das Ding echt ein Hammer. Klare Note eins. Da zieht nichts, da drückt nichts, da beschlägt nichts.
hihi. sehr fein. karte zieht durch, zwei monatssaläre wech. abfahn!