Da steht er am Bordstein und glänzt im Scheinwerferlicht der vorbeifahrenden Autos. Mein neuer Wagen.
Ihr seht recht: Er hat keinen Stern.
Mercedes ist für mich die einzig wahre Automarke gewesen, seit die schlammigen Sohlen meiner Kinderstiefel die Rückseite des Fahrersitzes in meines Vaters weißem Strichachter verdreckten. Es wird ja auch das moorbraune Dieselcoupé zeitlebens das einzig wahre Auto für mich sein. Auch wenn mein erster Wagen ein Opel Corsa, der dritte ein Kadett, der sechste und siebte VW Golfs waren. Die anderen vier waren alle Made in Stuttgart-Untertürkheim, und ihr könnt mir glauben: Wirklich persönliche Beziehungen kann man nur zu Autos mit Stern auf der Kühlerhaube haben. Glaubte ich jedenfalls.
Und jetzt steht da ein Saab 900. Auch noch einer der zweiten Generation, der mit dem Schuss General Motors – sprich: Opel – in den Genen.
Wie das kam? So. Auf dem Weg zum diesjährigen Aachener Non Profit Camp endete die fünfjährige innige Beziehung zu meiner C-Klasse abrupt: Der Motor ging während der Fahrt aus. Die Zeitrafferversion der folgenden Wochen: ADAC, Werkstatt, Diagnose, Motorsteuergerät. Neuteil 1700 Euro, zu teuer, Tauschteil 700 Euro, zu teuer, Reparatur in Würselen 500 Euro, zu teuer, Reparatur im Internet 350 Euro, zu teuer, Gebrauchtteil vom Schrott 250 Euro, funktioniert aber nicht, Gebrauchtteil von Ebay 150 Euro, funktioniert aber nicht, Gebrauchtteil von Ebay 160 Euro, funktioniert.
Da allerdings war es dann zu spät. Denn während sich die Suche nach dem passenden und funktionierenden PMS 0185450232 immer länger hinzog, kam Facebook ins Spiel, wo ich einen geduldigen Freundes- und Bekanntenkreis fleißig über die Widrigkeiten meiner Individualmotorisierung auf dem Laufenden hielt. Und Facebook-Freund Martin, ebenfalls Liebhaber schöner und älterer Autos und ebenfalls Blogger, kannte da jemanden in Luxemburg, der ein Auto loswerden wollte: jenen Saab nämlich.
Saab?
An sich ist der Gedanke an eine Fremdmarke für einen eingefleischten Sternenkreuzerfahrer geradezu absurd. Doch dann kamen Erinnerungen hoch. An die ADAC Motorwelt meines Vaters, als der Saab 900 der ersten Generation vorgestellt wurde. „Wir haben da ein paar ganz pfiffige Autos, die vielleicht etwas unterschätzt werden“ – an das Zitat des Saab-Pressesprechers im Text kann ich mich heute noch erinnern. Und dass ich den eckigen, H-förmigen Kühlergrill cool fand. Und die kantige Linie.
Aber ist das ein Grund, mehr als 30 Jahre später einen 20 Jahre alten Wagen eines Herstellers zu kaufen, den es inzwischen schon gar nicht mehr gibt?
Ich sah die Fotos des Blauen auf der Webseite des Verkäufers. Und je länger ich sie mir ansah, desto besser gefiel mir der Wagen. Martins Einflüsterungen taten ihr Übriges: Die Heckklappe – so praktisch. Der Stauraum – gigantisch. Der Motor – unzerstörbar. Die Sitze – viel besser als im Mercedes. Ersatzteile? Da gibt es spezialisierte Online-Versender.
Manchmal überrascht man sich selbst. Irgendwann fiel die Entscheidung, ließ ich mich von einer hilfsbereiten Freundin in ein fremdes Land fahren, machte mit einem fremden Menschen in einem fremden Auto einer fremden Marke eine zehnminütige Probefahrt im Dunkeln – und unterschrieb den Kaufvertrag. Es folgten etwas Papierkrieg, eine neue Frontscheibe wegen Steinschlags (habt ihr gewusst, dass die Preisunterschiede bei neuen Windschutzscheiben bis zu 600 Euro betragen können?), etwas Warterei, dann lag eines Tages die ersehnte Zulassung aus Luxemburg im Briefkasten.
Jetzt steht er da unten an der Ecke, mein neuer alter 900. Ein Auto ohne Stern, aber mit Pedigree. Auch wenn GM der zweiten Auflage des Erfolgsrenners reichlich Vectra ins Bodenblech presste, ist er unverkennbar noch ein Saab. Mit Zündschloss in der Mittelkonsole (um das rechte Fahrerknie im Un-Fall zu schonen). Mit dem typischen Saab-Gesicht und der „Hockeyschläger“-Fensterlinie an der C-Säule. Und mit reichlich Goodies: Klimaautomatik. Glasschiebedach. Scheinwerfer-Wischwasch. Vier Fensterhebern. Black Panel, der Nacht-Verdunkelung für die Armaturenbeleuchtung. Zentralverriegelung mit Fernbedienung. Alarmanlage mit Glasbruchsensor. Bordcomputer mit Verbrauchs- und Reichweitenanzeige. Außenthermometer. Anhängerkupplung. Beheizten Außenspiegeln. Warnung bei offenen Türen. Bei defekter Beleuchtung. Bei sich leerendem Tank. Bei zuwenig Wischwasser. Und, und, und.
Kaum etwas davon hatte je eines meiner bisherigen Autos – und wenn es noch eines letzten Anstupsers bedurft hätte, mich weich zu machen, die Ausstattung war es.
Ach ja, und er hat ein Automatikgetriebe. Mit Winter- und Sportmodus. Auch Automatik wollte ich nach fiesen Erfahrungen mit einem der Gölfe nie wieder haben. Aber ich wollte ja auch eigentlich nie wieder ein Auto ohne Stern fahren, weil man doch nur zu Autos mit Stern eine persönliche Beziehung aufbauen kann.
Manchmal überrascht man sich eben selbst. Er heißt übrigens Bengt.
Moin Marc,
mittlerweile ist ja gut ein halbes Jahr verstrichen. Wie macht sich der Wagen? Bist Du immer noch zufrieden?
Moin Martin,
ich würde meine Zufriedenheit auf etwa 85-90 Prozent schätzen. Der Wagen ist exzellent konstruiert und gerade auf Langstrecken bequem und sehr komfortabel. Ich mag die hervorragend konturierten Sitze ebenso wie die vielen netten kleinen Details, etwa die „Black Panel“-Instrumentenbeleuchtung für Nachtfahrten und das „Nachwischen“ bei der Intervallschaltung der Scheibenwischer. Der Stauraum ist riesig, die Heckklappe praktisch.
Ein paar kleine Macken hat er in seinem fortgeschrittenen Alter natürlich, die Instrumentenbeleuchtung geht unterwegs gerne mal aus und irgendwas am Auspuff oder am Motor klöngelt und döngelt permanent während der Fahrt – keine Ahnung, was.
Das Einzige, das mich wirklich stört, ist der Verbrauch. Der 2,0-Liter-Sauger mit Automatik hat schon im Herstellerprospekt erschröckliche Verbrauchdaten (je nach Messzyklus 13-16 Liter in der Stadt, wenn ich mich richtig erinnere), die sich in der Realität leider bewahrheiten. Trotz meist abgeschalteter Klimaanlage und zartfühlendem Beschleunigungsverhalten kriege ich die Karre kaum unter 13 Liter LPG im Schnitt. Auf der Autobahn, halbwegs zivil gefahren, sind es dagegen deutlich weniger.
In den Radmuldentank passen rund 57-58 Liter Gas, faktisch komme ich damit immer ungefähr 420 bis 450 Kilometer weit, auch schon mal weniger. Bei meiner alten C-Klasse (C180 Serie W202, Baujahr 1994, handgeschaltet) waren es immer 550 bis 580.
Mir ist klar, dass Automatik, Klimaanlage und LPG einen Aufschlag kosten, aber der ist schon saftig. Ohne die Gasanlage wäre mir der Wagen entschieden zu durstig.
SAAB hatte als Werbeclaim einmal „auf langen Strecken zuhause“. Da ist was wahres dran. Diese Autos brillieren auf großer Fahrt. Mit ihren Langstreckenqualitäten, den Sitzen, der perfekten Ergonomie (kurz: der Ermüdungsarmut), aber auch mit dem bei sinnvoller Fahrweise erstaunlich niedrigem Verbrauch. Außerorts.
In der Stadt dagegen haben Autos ja grundsätzlich nichts zu suchen (schreibt der fußgehende, fahrrad- und busfahrende Autoblogger). SAABs im speziellen versuchen erst gar nicht so zu tun, als seien sie in der Stadt akzeptabel.